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Wie jetzt bekannt wurde, sind auch die Krebsmittel Avastin und MabThera unter den gefälschten Medikamenten.

Foto: dapd

Die Affäre rund um gefälschte Arzneimittel, die in Europa in die legale Versorgungskette gekommen sein dürften, dehnt sich weiter aus. Nach einem ersten Alarm in Europa bereits Ende April - dies erfolgte auch in Österreich - hat sich die Liste der betroffenen Präparate verlängert: Es geht in Österreich jetzt auch um die Krebsmedikamente "Avastin" und "MabThera".

Avastin und MabThera 

Unter den gefälschten Mitteln sind neben Durchstechflaschen von Herceptin (monoklonaler Antiköper zur Brustkrebs-Therapie, Freiname: Trastuzumab) auch weitere Produkte. Neu betroffen sind die Mittel Avastin und MabThera, heißt in einer "Sicherheitsinformation" des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen. Die Affäre hatte ursprünglich mit Diebstählen in Italien von Durchstechflaschen mit High-Tech-Krebs- und Rheuma-Medikamenten begonnen.

Bei Parallelimport-Unternehmen waren - etwa in Deutschland - verfälschte Herceptin-Produkte entdeckt worden. Zum Beispiel gab es Manipulationen an den Verschlussstöpseln und Flüssigkeit in den Durchstichfläschchen statt Trockenpulver. Betroffen waren aber auch das Lungenkrebsmedikament "Alimta" (Freiname: Pemetrexed) und das unter anderem bei chronischer Polyarthritis eingesetzte "Remicade" (Freiname: Infliximab). In Österreich wurden die entsprechenden Chargen zurückgerufen. Es gab Nachforschungen in zumindest sechs Bundesländern - speziell in Krankenhäusern. In Österreich wurden dabei keine Fälschungen entdeckt.

Jetzt aber geht die Affäre mit den zwei zusätzlich potenziell betroffenen Arzneimitteln weiter. "Avastin" (Freiname: Bevacizumab) wird mittlerweile bei einer Reihe von Krebserkrankungen eingesetzt. "MabThera" ("Rituximab") ist ebenfalls ein hoch wirksames Biotech-Medikament, vor allem zur Therapie von Non-Hodgkin-Lymphomen, lymphatischer Leukämie und rheumatoider Arthritis .

Mehrere Chargen in Österreich 

Wie schon Ende April sind auch jetzt in Österreich mehrere Chargen ("Avastin", "MabThera") betroffen. "Anwender und Apotheker werden gebeten, vor Anwendung und Zubereitung besonders Augenmerk auf die betroffenen Arzneimittel zu legen", heißt es in der Warnung. Dies gelte für solche Arzneimittel, die aus Italien stammen dürften.

In Österreich ist aus Italien stammendes "Avastin" und "MabThera" der betroffenen Chargen ausschließlich von den deutschen Parallelimport-Unternehmen "Haemato Pharm GmbH" und "Inopha GmbH" vertrieben worden. Diese Unternehmen kaufen international Arzneimittel zu möglichst günstigen lokalen Preisen auf, packen oder lassen sie umpacken und verkaufen sie dann in Staaten mit höheren Arzneimittelpreisen.

Laut Hintergrundinformationen können sich österreichische Krankenanstalten beziehungsweise die Krankenhausträger - es handelt sich bei den genannten Produkten vor allem um im Spital verwendete Arzneimittel - zwei bis fünf Prozent beim Preis ersparen. Die Grazer Axeleris Pharma GmbH tauchte schon beim Start der Affäre im April auf. Sie packt Ware der deutschen "Haemato Pharm GmbH" um und hat in der Vergangenheit Krankenhäuser in allen Bundesländern außer Kärnten, Oberösterreich und den KAV in Wien beliefert. Der Wiener Krankenanstaltenverbund hat betont, keine Arzneimittel von Parallelimport-unternehmen zu beziehen.

"Die gefälschten Produkte können nur aus illegalen Quellen kommen. Unsere Originalprodukte sind nicht betroffen. Wir haben auch in Italien Kliniken nur direkt beliefert", erklärte am Donnerstag die Sprecherin eines der betroffenen Hersteller. Die italienischen Spitäler dürfen keine Arzneimittel weiter verkaufen. Damit bleibt nur kriminelles Handeln als Ursache der Affäre übrig.

Große Verunsicherung

Bei den österreichischen Krebsspezialisten macht sich offenbar zunehmend Verunsicherung und Besorgnis wegen des Fälschungsskandals via Parallelimport von Arzneimitteln breit. So forderte am Donnerstag der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Onkologie und Hämatologie, Hellmut Samonig, völlige Aufklärung.

"Wir sind dezidiert der Meinung, dass bisher in Österreich nicht ausreichend reagiert worden ist. Wir fordern eine vollständige Aufklärung", sagte der Onkologe der MedUni Graz. In der Steiermark hätte man schon Ende April schnell reagiert und die damals genannten Arzneimittelchargen und die Patientengeschichten geprüft. Es seien keine auffälligen Nebenwirkungen festgestellt worden.

Man könne aber auch nicht dezidiert im Nachhinein feststellen, ob die Patienten bei Anwendung von solchen Mitteln aus einer bestimmten Charge auch wirklich die gewünschte Wirkung gezeigt hätten. Es geht bei der Karzinomtherapie ja um eine langfristige Behandlung. Weiters müssen Nebenwirkungen häufig in Kauf genommen werden.

Für die Onkologen ist die Situation ziemlich unhaltbar. "Wir können auch nicht zunächst behandeln - und dann vielleicht erst später überprüfen müssen, ob wir nicht gefälschte Arzneimittel verabreicht haben", sagte Samonigg. Die Affäre betrifft jedenfalls neuerlich die Steiermark und damit die steirische Spitalsgesellschaft KAGes.

"In Abstimmung mit den führenden Onkologen des Landes nimmt man vorerst davon Abstand, die entsprechenden Medikamente aus diesen Quellen (Parallelimport) zu beziehen, lagernde Chargen werden auf alle in der Warnung des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen angeführten Hinweise auf mögliche Fälschung untersucht. Wie schon Ende April wird selbstverständlich auch genauestens überprüft, ob Medikamente aus den betroffenen Chargen bereits verabreicht wurden", hieß es am Donnerstag in einer Aussendung. Man reagiere ebenso rasch wie bereits im April. (APA, derStandard.at, 5.6.2014)