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Saxofonist Wayne Shorter.

Foto: EPA/Jacek Turczyk

Wien - Es gibt ein erhellendes Statement des verstorbenen Keyboarders Joe Zawinul, mit dem er die Rollenverteilung innerhalb der Band Weather Report charakterisierte, die ab den 1970ern den Fusionjazz propagierte. "Jeder spielt solo, keiner spielt solo", formulierte Zawinul die Art und Weise, wie innerhalb der Musikstruktur kommuniziert wurde, an deren Verfeinerung - als zweiter Obergrübler - Tenor- und Sopransaxofonist Wayne Shorter subtilen Anteil hatte.

Auch wenn es Shorter wohl etwas poetischer formulieren würde - Zawinuls historischer Sager charakterisiert auch die Quellen jener musikalischen Energieströme exakt, die im Quartett des Amerikaners zusammenfließen. Im Sinne einer zwischen Abstraktion und Konkretheit wandernden Musik.

Das Quartett betreibt eine Art freien Impressionismus, der Shorter als Teil einer demokratischen Bandstruktur erscheinen lässt. Seine solistischen Einwürfe dominieren selten, sind eher melodische Farbtupfer eines sich ständig wandelnden Gemäldes. Eigenwillig sind sie immer. Man wird bei Shorter nie platte Wendungen entdecken, deren Verlauf prognostizierbar wäre. Er arbeitet mit Melodiefragmenten, mit kleinen Gesten, die er Variationstechniken unterzieht. Sie können Wehmut enthalten ebenso wie hymnischen Überschwang. Sie sind jedoch niemals emotionale Konfektion in erprobter Phrasenform, sind subtiler Ausdruck einer - aphoristisch kredenzten - unmittelbaren Emotion.

Natürlich fordert ein solch offenes Improvisationskunstwerk eine genaue Balance zwischen den Stimmen, um besondere Energieebenen zu erklimmen. Und mitunter wirkt Shorter im Wiener Konzerthaus leider zu leise und fragil, um dem Ganzen entscheidende Impulse zu verleihen. Es gab also schon überzeugendere Abende des Quartetts, Abende, an denen Intensität und Vielschichtigkeit dieser Band hitziger verschmolzen.

Dennoch: Pianist Danilo Perez war ein subtiler Maler mit harmonischen Farbmitteln, Bassist John Patitucci wurde wichtig als unruhiger Ruhepol. Und Drummer Brian Blade bereicherte als Quelle vielschichtiger Einwürfe (etwas von seiner Lautstärke hätte man gerne auf Shorter übertragen), welche die kunstvolle Gestaltung des Augenblicks impulsiv anschob.

Und war in Summe mehr erwartbar gewesen, so blieb das faszinierende Bandkonzept intakt. Es schildert die Segnungen des freien Musizierens, ohne Free Jazz zu sein. Es demonstriert (tonal bis polytonal) die Entgrenzung von Komposition und Improvisation, ohne sich in belangloser Spontaneität zu verlieren. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 6.6.2014)