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Die G-7 debattieren mit den EU-Granden. Im Uhrzeigersinn von vorne: Merkel (Deutschland), Obama (USA), Van Rompuy und Barroso (EU), Hollande (Frankreich), Harper (Kanada), Abe (Japan), Renzi (Italien) und Cameron (Großbritannien).

Foto: Reuters/Herman

So viel Weltpolitik im Ratsgebäude der Europäischen Union wie kaum zuvor: Das kennzeichnete das zweitägige Treffen der Staats- und Regierungschefs der G-7-Staaten, das am Donnerstagnachmittag in Brüssel zu Ende ging. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hatte eingeladen, weil die sieben wichtigsten Industriestaaten Russland wegen seines Verhaltens in der Ukraine-Krise ausgeschlossen und das G-8-Treffen in Sotschi gestrichen hatten.

Nun suchten die USA, die von Präsident Barack Obama vertreten waren, mit Japan, Kanada und den europäischen Partnern Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Italien nach Wegen, sowohl die Eskalation in der Ukraine zu beenden als auch das zerrüttete Verhältnis zu Russlands Präsident Wladimir Putin wieder zu verbessern.

Charmeoffensive in der Normandie

Gleichzeitig ging es darum, sicherheitspolitische Geschlossenheit zu zeigen. Damit direkt und indirekt verbunden waren Beschlüsse zu Syrien, zur Energieversorgung, zum Kampf gegen die Klimaerwärmung. Die G-7-Partner in Europa wollen ihre Anstrengungen verstärken, von Öl und Gas aus Russland unabhängiger zu werden. Für den kommenden Winter wird ein Notfallplan erstellt. Doch man hoffte dennoch darauf, dass Putin jetzt - nach den Präsidentenwahlen in der Ukraine - selber Interesse zeigt, zur Entspannung zurückzukehren.

Um das zu ermöglichen, versuchte der Gipfel einige Brücken zu bauen - trotz der Aufrechterhaltung der Drohung mit weiteren Sanktionen gegen Moskau im Fall weiterer Eskalation in der Ostukraine; und trotz der Ankündigung Obamas, wonach die Nato ihre Präsenz in osteuropäischen Mitgliedsländern verstärken werde.

Der britische Premier David Cameron ist im Zuge der D-Day-Feiern mit Putin am Flughafen Charles de Gaulle in Paris zusammengetroffen. Cameron habe Putin mitgeteilt, dass es "die Chance für eine erfolgreiche, friedliche und stabile Ukraine" gebe. Besonders jetzt, da es eine Präsidentschaftswahl gegeben habe. "Aber der Status Quo, die Situation, wie sie heute ist, ist nicht akzeptabel und muss geändert werden", sagte Cameron laut seiner Sprecherin.

Eine Art "Charmeoffensive" soll unmittelbar nach dem Gipfel bereits am Freitag bei den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie starten. Obama, Merkel, Cameron, der kanadische Premier Stephan Harper - aber auch Queen Elizabeth II. - werden sich gleich wieder treffen, um die Diplomatie fortzusetzen.

Anerkennung Poroschenkos

Und auch Putin wird teilnehmen. Frankreichs Präsident François Hollande als Gastgeber wies darauf hin, dass seine Einladung an ihn ausdrücklich unter diesem Aspekt erfolgt sei. Der russische Präsident habe sofort zugesagt - auch im Wissen, dass er an den Stränden des Ärmelkanals den gewählten ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko treffen würde. Es ist ein Handschlag der beiden geplant. Die G-7-Staaten hoffen, dass dies zu einer Anerkennung Poroschenkos durch Putin gleichkommen werde, welcher am Samstag in Kiew vereidigt werden soll.

Dies alles sollte die Voraussetzung dafür sein, dass Russland den Zustrom von Separatisten in die Ostukraine in Zukunft unterbindet und Maßnahmen setzt, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Dazu wird Putin auch im Schlussdokument des G-7-Gipfels aufgefordert.

Zarte Hoffnung bei Merkel

US-Präsident Obama sagte zum Abschluss des Gipfels, Russland "sollte diese Gelegenheit nützen und Poroschenko anerkennen". Putin solle auch die Verantwortung übernehmen, die Gewalt in der Ukraine zu beenden. Die russische Wirtschaft sei geschrumpft infolge des Verhaltens Putins in der Ukraine. Sollte Russland weitermachen, werde der Westen mit Maßnahmen antworten, für die Russland einen Preis zahlen würde, so Obama.

Ihre zarte Hoffnung auf Entspannung drückte auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel aus: Man müsse zurückdenken, wie negativ die Aussichten noch vor zwei Monaten gewesen seien. Inzwischen hätten Wahlen stattgefunden, es gebe einen demokratisch gewählten Präsidenten. Das gebe Hoffnung. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 6.6.2014)