Graz/Wien - "Ich verwehre mich aufs Schärfste gegen Unterstellungen, die Justiz messe mit zweierlei Maß. Für uns spielt es keine Rolle, ob jemand Justizbeamter ist oder nicht", beteuert der Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft Graz, Reinhard Kloibhofer, im Gespräch mit dem Standard. Der Fall des Kärntner Chefinspektors, der nach einem Einbruch in eine Disco für unzurechnungsfähig erklärt wurde und damit straffrei blieb, habe einfach keinen Spielraum gelassen, sagt Kloibhofer.

Ohne Zweifel: Österreichs Justiz kaut noch ordentlich an der vom "Falter" in seiner letzten Ausgabe zitierten Kärntner Justizcausa. Demnach hat ein Chefinspektor, nachdem er ein tiefes Loch auf seinem Konto entdeckt hatte, in eine Diskothek eingebrochen und dies auch in aller Ausführlichkeit gestanden. Eine Strafverfolgung blieb ihm aber erspart, denn ein von ihm beauftragter und bezahlter Privatgutachter hat ihm für die Tatzeit eine Unzurechnungsfähigkeit attestiert. Das Gericht in Klagenfurt hat daraufhin einen Gerichtsgutachter beauftragt. Dieser kam zum selben Ergebnis, nämlich dass der Chefinspektor "nicht mehr in der Lage war, das Strafbare an seiner Tat zu bedenken".

Weiteres Gutachten in Auftrag

Die Justiz müsse sich auf Gutachter verlassen, sagt Kloibhofer. "Der Privatgutachter arbeitet auch für das Gericht und ist ein angesehener Experte, wie auch der später hinzugezogene Gerichtspsychiater. Beide sind sehr erfahrene Sachverständige, an deren Qualifikation es keine Zweifel gibt", sagt Kloibhofer. Es habe also für die Staatsanwaltschaft und die Oberstaatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte gegeben, an der Einschätzung der Unzurechnungsfähigkeit zu zweifeln, die Befunde seien schlüssig gewesen. Die Oberstaatsanwaltschaft habe daher dem Wunsch der Staatsanwaltschaft zugestimmt, den bereits formulierten Strafantrag wieder zurückzuziehen.

Für die Oberstaatsanwaltschaft ist der Fall jedenfalls beendet. Und auch für das Justizministerium. "Das Strafverfahren ist abgeschlossen", heißt es dort.

So ganz ist die Sache aber doch noch nicht gelaufen. Der Justizbeamte war umgehend suspendiert worden. Im Zuge des laufenden Dienstrechtsverfahrens ist jetzt ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben worden, bestätigt der Sprecher der zuständigen Vollzugsdirektion, Christian Timm.

Neue Untersuchung

Es gehe in diesem Verfahren um die Frage, ob der Beamte nur zum Zeitpunkt der Tat unzurechnungsfähig gewesen sei, oder ob dieser Zustand dauerhaft ist. Bei einem permanenten Problem wären entsprechende dienstrechtliche Konsequenzen zu ziehen. Immerhin sei der Beamte auch Waffenträger.

Sollte das neue Gutachten zu einem völlig anderen Ergebnis kommen als jenes der beiden Kärntner Experten, sei theoretisch auch ein strafrechtliches Wiederaufnahmeverfahren nicht auszuschließen. "Es ist aber nicht unsere Aufgabe und das Ziel, die strafrechtliche Seite zu überprüfen, uns geht es nur um die Diensttauglichkeit", sagt Christian Timm. (Walter Müller, DER STANDARD, 6.6.2014)