"Plenum. Places of Power" im Österreich-Pavillon, einer der ergiebigsten Beiträge der Biennale. Gezeigt werden 196 Parlamentsbauten aus aller Welt. Im Bild: Buenos Aires, Argentinien.

Foto: Wojciech Czaja

Myanmar? Da wird einem angst und bange. Mit einem Kilometer Länge ist das Pyidaungsu Hluttaw in der 2005 gegründeten Hauptstadt Naypyidaw das mit Abstand größte Parlamentsgebäude der Welt. Tonga wiederum entlockt dem Betrachter ein Lächeln, erinnert der 150 Quadratmeter große Regierungssitz der südpazifischen Insel doch mehr an eine kleine Bambushütte am Strand.

"Ein Parlament ist meist das wichtigste Gebäude eines Landes", sagt Christian Kühn, Kommissär des Österreich-Pavillons bei der heurigen Architektur-Biennale in Venedig, die heute, Freitag, eröffnet wird. "Mich hat interessiert, welches Formenkatalogs sich die einzelnen Länder bedienen, um den Ansprüchen politischer Macht gerecht zu werden."

196 Parlamentsbauten aus aller Welt sind in Form kleiner, an die Wand geklebter Modelle zu sehen. Das Formenrepertoire reicht von futuristischen Glaseiern (Georgien) über umfunktionierte Supermarkthallen (Libyen) bis hin zu mitunter nicht besonders geglückten Kopien des Washingtoner Kapitols. So viel sei verraten: Österreich hat sich der thematischen Vorgabe des Gesamtkurators Rem Koolhaas weitestgehend entzogen und liefert damit einen der interessantesten Beiträge der 14. Architektur-Biennale.

"Fundamentals" lautet das Motto, das der niederländische Architekt Rem Koolhaas – bekannt als Erbauer des Pekinger TV-Hochhauses CCTV – den Ausstellern vorgab. So weit, so gut. Doch leider steckte er die Grenzen gar eng, indem er vorschlug, sich der Moderne zu widmen und zu untersuchen, welche Auswirkungen die Zeit zwischen 1914 und 2014 auf die heutige Architektur habe.

Wer dieser Einladung folgte, hat schon verloren. Noch nie zuvor war eine Architektur-Biennale in Venedig eine so konformistische, über einen inhaltlichen Kamm geschorene Insider-Hirnwichserei wie heuer. Die meisten Länder zeigen brave, oft pädagogische Themenausstellungen, die an ihrer Komplexität zugrunde gehen. Viel Leselust sollte mitgebracht werden. Die Moderne ist halt keine einfache Sache. Als Biennale-Kurator hat Koolhaas somit versagt.

Umso sehenswerter sind die wenigen gesellschaftskritischen Länderbeiträge, die aus dieser Masse hervorstechen. Die beiden Kuratoren Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis implementieren in den deutschen Pavillon einen Nachbau des Bonner Bundeskanzler-Bungalows und verschneiden somit zwei politische Räume zu einer räumlichen Mengenlehre mit reichlich Diskussionsstoff.

Chile geht zurück in die Dreißigerjahre – an jenen Punkt in der Zeitleiste, als die Sowjets den Chilenen eine Handvoll Betonfertigteil-Fabriken schenkten – und präsentiert die Konsequenzen dieser folgenschweren Allianz: 170 Millionen Wohnungen nach dem Schema F wurden zwischen 1931 und 1981 weltweit errichtet. Unter dieser Typologie, "die den individuellen Architekten durch Austauschbarkeit und Anonymität ersetzte", wie Kurator Pedro Alonso erklärt, leide das Land bis heute.

Stupide Karten

Und Israel widmet sich auf sehr zynische Weise der Besiedelungspolitik des eigenen Landes und stellt Sanddrucker aus, die stundenlang irgendwelche stupiden Landkarten und Stadtpläne in den Sand zeichnen. "Die Regierung erstellt einen Masterplan nach dem anderen", sagt Kurator Ori Scialom, "kommt mit der eigenen Arbeit nicht nach und setzt schließlich Pläne um, die schon seit Jahrzehnten veraltet sind. Eine Maschine ohne Hirn." Die Resultate dieser Siedlungspläne – kilometerweise Wohnhäuser ohne jegliche Infrastruktur – sind hinlänglich bekannt.

Den wohl lustigsten Beitrag liefert Russland: Die drei Künstler Anton Kalgaev, Brendan McGetrick und Daria Paramonova bauen den Pavillon kurzerhand zur Messehalle um und laden den Besucher zur "Fair Enough" ein. An 20 Messeständen, die die schlimmste Bau- und Immobilienmesse durch den Kakao ziehen, kann man sich in Stilbelangen und historischen bis aktuellen Investoren-Machenschaften beraten lassen. Ein Gesamtkunstwerk. Die Parodie ist perfekt. Das Kaleidoskop der Peinlichkeiten nimmt dabei nicht nur das Prinzip Ausstellung auf die Schaufel, sondern auch das Programm der Biennale. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 6.6.2014)