Die koalitionäre Spiegelfechterei um eine Steuerreform hat neben ihrer ideologischen Ursache, die in unterschiedlichen Auffassungen liegt, wie eine halbwegs gerechte Gesellschaft auszusehen habe, auch den strukturellen Grund eines Fehlers im gegenwärtigen politischen System. Würden der Bundeskanzler und der Finanzminister - so wie das in der Zweiten Republik mehr als ein halbes Jahrhundert lang aus gutem Grund der Fall war - von einer Partei gestellt, bliebe der Bevölkerung das regierungsinterne Hickhack samt Katzenmusik aus dem koalitionären Umfeld erspart, und es wäre klar, wer dann die Verantwortung dafür trüge, dass nichts weitergeht.

In der jetzigen Konstruktion, die im Jahr 2000 mit fatalen Folgen ausprobiert und seit 2006 fatalerweise prolongiert wurde, bleibt ein Bundeskanzler ohne Richtlinienkompetenz bei fehlender Einigkeit eine Art Bittsteller, der den Finanzminister seine Gefühle spüren lassen kann - wenn es hart hergeht, sogar öffentlich -, aber wenn der sich nicht empfänglich zeigt und die Koalition unbedingt weitersiechen soll, dann kann man halt auch nichts machen. Ob bereits Klarheit über eine Steuerreform bestünde, hätte man diesen Systemfehler nach der Wahl 2013 korrigiert, lässt sich schwer sagen, aber wenigstens wäre klar, wer am Schlamassel schuld ist.

Ein anderer struktureller Grund dafür, dass nichts weitergeht, liegt in der Erstreckung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre. Dass ihre Einführung mit dem Argument begründet wurde, unter einem fünfjährigen Horizont lasse sich besser regieren, dürfte nach bisherigen Erfahrungen nur mit Hohnlachen quittiert werden. Im Gegenteil, es bleibt mehr Gelegenheit, Dinge auf die lange Bank zu schieben, wofür Spindeleggers Zieldatum für die Steuerreform von 2016 ein schönes Beispiel ist. Und übrigens auch für seinen Optimismus, dann noch im Amt zu sein.

Mit seiner letzten Aktion zur Abwendung selbst einer lauwarmen Vermögenssteuer nach Schweizer Muster hat er die Chancen dafür nicht erhöht. Während der arbeitenden Bevölkerung allein durch die kalte Progression, die ja nicht gottgewollt ist, immer mehr abgepresst wird, will er Millionären das Leid über zu geringe Beiträge zum Budget durch die Erlaubnis freiwilliger Spenden an Institutionen lindern, denen es besser ginge, flösse mehr Geld ins Budget. Eine derartige Steuerpolitik hätte vielleicht noch ins 19. Jahrhundert gepasst, im 21. Jahrhundert ist sie nicht peinlich, sondern angesichts der sich öffnenden Schere zwischen Arm und Reich nur obszön.

Wenn schon freiwillige Spenden statt angemessener Steuern, dann bitte für alle! Und die Spenden müssen von der kleinen Reststeuer abzugsfähig sein, wie sich das der Wirtschaftskammerboss wünscht. Dann brauchen wir kein Budget mehr, sondern nur noch Leitls Innovationsfonds, gespeist aus dem, was von den Spenden nach ihrer Abschreibung übrigbleibt. Wenn das SPÖ-gestützte Finanzgenie Spindelegger erkennt, dass sich reiche Leute in ihrem "Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft Österreichs" nicht lumpen lassen werden, sollte man diese Chance auch Durchschnittsverdienern einräumen. (Günter Traxler, DER STANDARD, 6.6.2014)