Wien – Während die Welt 1993 ihren Schmerz immer noch zu den Gesängen des Kurt Cobain und Nirvana teilte, stellten vier damals noch sehr junge Herren in Germantown, Maryland, klar, dass desperate Tagebuchprosa nicht jedermanns Sache ist.
Es gibt Wichtigeres auf der Welt als die böse Welt an sich. Zum Beispiel die Freuden der Jagd und ihre Trophäen, die sich bestens dazu eigenen, raumgestalterisch ein wenig aufzurüsten: ein Hirschbein als Lampenfuß zum Beispiel, herrlich. Ebenfalls wich tiger als Weltschmerz: Autos. Solche, denen Zylinder aus der Motorhaube wachsen und die zur Not mit Kerosin in Betrieb genommen werden können und eine Halterung für das Jagdgewehr am Heckfenster aufweisen.
Allen Geschwindigkeitsfantasien zum Trotze schufen diese vier unter dem Namen Clutch musizierenden Feingeister einen zäh malenden, zu akustischen Gewaltausbrüchen neigenden Heavy Rock, der auf einem phänomenalen Debüt veröffentlicht wurde: Transnational Speedway League: Anthems, Anecdotes and Undeniable Truths. Es ist im umfangreichen Katalog der Band das bis heute beste Album und begründete mit fiesen Songs wie Rats, Binge and Purge oder A Shotgun Named Marcus den hervorragenden Ruf der Gruppe. Clutch: Der Name ist das Zeichen, schnörkellos und hart. Am Sonntag gastieren Clutch in der Wiener Arena.
Alben wie das titellose zweite, Pure Rock Fury, oder das grandiose Jam Room fallen nur wenig ab. Aktuell ist der bärtige Vierer mit dem Album Earth Rocker unterwegs.
Zwischenzeitlich erweiterte das Gespann um Sänger Neil Fallon die Form und ließ eine Hammondorgel zu. Ein schönes Instrument im Soul, aber hier führte es zu Verweichlichungstendenzen, die man als stahlharter Kerl nicht für gut befinden konnte.
Live, das zeigte sich beim letzten Gastspiel in Wien vor auch schon wieder fünf Jahren, sind Clutch eine Macht. Gefangene werden nicht gemacht. Aus Gnade nicht. (Karl Fluch, DER STANDARD, 6.6.2014)