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Draghi: "Wir sind noch nicht am Ende."

Foto: Reuters/Francois Lenoir

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Grafik: apa

Frankfurt/Wien - Die Europäische Zentralbank hat am Donnerstag ein großes Paket für die Eurozone geschnürt. "Wir haben uns für ein Bündel von Maßnahmen entschieden, um die Kreditvergabe an die Realwirtschaft zu unterstützen", sagte EZB-Chef Mario Draghi nach der Zinssitzung vor Journalisten. Neue Zahlen von den Ökonomen der Zentralbank zeigten, dass die Teuerung niedriger ausfallen dürfte als zuletzt erwartet. Selbst 2015 werde die Inflation nur bei 1,1 Prozent liegen, 2016 dann bei 1,4 Prozent. Fünf verschiedene Maßnahmen sollen den Aufschwung in der Eurozone herbeiführen und die Inflation näher an das Ziel der EZB von zwei Prozent heranführen:

Zinsen: Die Leitzinsen für die Geschäftsbanken der Eurozone werden gesenkt. Die Rate für die wichtigen Hauptrefinanzierungsgeschäfte fällt von 0,25 auf 0,15 Prozent. Bei den Einlagenzinsen taucht die Zentralbank sogar in negatives Terrain. Banken, die überschüssige Liquidität bei der Zentralbank horten, müssen künftig 0,1 Prozent Strafzins zahlen. Zuletzt haben die Banken noch 32,7 Milliarden Euro gebunkert, im Krisenjahr 2012 waren es zeitweise mehr als 800 Milliarden.

Warum aber wird immer noch Geld bei der EZB geparkt, wenn es dort null Prozent oder bald negative Zinsen gibt? Das Problem für viele Banken ist, dass sie ihre Liquiditätspolster irgendwo veranlagen müssen. Alternativ könnten sie bei der EZB Bargeld einfordern (das bekanntermaßen auch keinen Zins abwirft). Doch auch diese Möglichkeit hat ihre Nachteile. Denn die Banken sitzen dann auf höheren Bargeldbeständen und müssen dafür die Sicherheitsvorkehrungen erhöhen - damit sind ebenfalls Kosten verbunden.

Kreditvergabe: Um die Versorgung der Privatwirtschaft mit ausreichend Krediten zu gewährleisten, legt die EZB neue langfristige Kreditlinien für die Banken auf. Die 2011 erstmals angekündigten Maßnahmen haben den Banken damals mehr als 1000 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln verschafft - doch das Geld floss damals zu großen Teilen in Staatsanleihen. Die neuen Kreditlinien werden anders gezogen und erhalten mit TLTRO auch eine neue Abkürzung (Targeted Longer-Term Refinancing Operations oder zielgerichtetes, längerfristiges Refinanzierungsgeschäft). Draghi hofft auf rund 400 Milliarden Euro an Krediten. Das Geld bekommen die Banken knapp vier Jahre zu einem fixen Zinssatz (ein Novum).

Doch die Institute dürfen die Mittel nur behalten, wenn sie ihre Kreditvergabe an die Realwirtschaft erhöhen (ausgenommen sind Immobilienkredite und Mittel an den öffentlichen Sektor). "Die EZB ist aus ihrer Komfortzone herausgegangen und hat mit den TLTROs die Erwartungen übertroffen", schätzt Christian Odendahl, Chefökonom am Centre for European Reform in London. Die Schlechterstellung von Hypotheken berücksichtigt insbesondere in Ländern wie Deutschland oder Österreich die Gefahr eine Immobilienblase.

Ankaufprogramm: Um die Kreditvergabe noch direkter anzukurbeln, bastelt die EZB seit Monaten an einem möglichen Ankaufprogramm von gebündelten Unternehmenskrediten (ABS). Diese Arbeit soll "intensiviert" werden.

Anleihenprogramm: Das Programm zum Ankauf von Staatsanleihen wird künftig nicht mehr "sterilisiert". Rund 160 Milliarden Euro an Liquidität werden somit frei.

Liquidität: Apropos: Die Banken haben von der EZB noch ein Rundum-sorglos-Paket in Sachen Liquidität auf den Weg bekommen. Bis Dezember 2016 können sie sich mit so viel Mitteln eindecken, wie sie möchten.

Angesichts der teilweise noch unklaren Auswirkungen der Maßnahmen hat Mario Draghi für den Fall weiter niedriger Inflation noch mehr in Aussicht gestellt: "Wir sind noch nicht am Ende." Draghi schloss zudem Staatsanleihenkäufe nicht aus. (sulu, DER STANDARD, 6.6.2014)