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Massive Vorwürfe zur Angelobung von Viktor Orbáns (Bild) dritter Regierung: Eine neue Mobilfunklizenz für die Deutsche Telekom, um einen kritischen Chefredakteur auszuhebeln.

Foto: Reuters/Szabo

Den Chefredakteur von origo.hu hat Magyar Telekom auf Druck der Regierung entlassen. Die meisten Nachrichten- und Videoredakteure des Portals gehen nun selbst - sie kündigten Donnerstagabend geschlossen: "Wir können unsere Arbeit nicht mehr weitermachen" nach diesen Vorfällen.

Lizenz gegen Konsequenzen

Sowohl die ungarische Konzerntochter als auch die deutsche Mutter bestreiten vehement, sie hätten Gergö Sáling aus politischen Gründen gefeuert. Man habe sich von dem Topjournalisten "im Rahmen strategischer Umstrukturierungen einvernehmlich getrennt", hieß es in den Kommuniqués. Sáling äußerte sich nicht, ihn binden Verschwiegenheitsklauseln, wie sie in Managementverträgen mit solchen Konzernen üblich sind. Doch der Verdacht lag auf der Hand, dass die kritische Berichterstattung von origo.hu den Ausschlag gab für Sálings Entlassung. Zuletzt hatte das Portal über exorbitante Hotelspesen von Viktor Orbáns Staatssekretär im Ministerpräsidentenamt, János Lázár, auf einer Dienstreise nach England berichtet. Der wütende Politiker zahlte die Spesen schließlich an die Staatskasse zurück - um eine Offenlegung zu umgehen, mit wem er so luxuriös unterwegs war.

Den Verdacht erhärtete das neue ungarische Portal 444.hu. Nach internen Informationen habe Lázár schon seit Monaten bei der Magyar Telekom (MT) wegen der kritischen Berichterstattung von origo.hu interveniert. "Staatssekretär Lázár ist traurig", teilten die MT-Manager den Origo -Redakteuren mit, wenn wieder einmal ein Beitrag das Missfallen der Orbán-Regierung erregte.

Schließlich stand Ende des Vorjahres die Verlängerung der Mobilfunklizenz der Magyar Telekom an - deren bedeutendstes Geschäftsfeld. Schon im April hat die deutsche Konzernmutter eine neue Topmanagerin nach Budapest geschickt, die 47-jährige Kerstin Günther.

Interventionen

Als Chefin des Direktionsrats übernahm sie die Verhandlungen mit Lázár von MT-Generaldirektor Christopher Mattheisen. Der Deutsch-Amerikaner soll sich Interventionen gegenüber weniger zugänglich gezeigt haben. Lázárs Ressort ist auch für Telekom-Angelegenheiten zuständig. "Diese Frau wurde geschickt, um jeden Konflikt zwischen den Orbán-Leuten und der Unternehmensgruppe auszubügeln", zitierte 444.hu einen Insider.

Günther und Lázár sollen sich auf eine Paketlösung geeinigt haben. MT erhielt die Konzession. Zugleich musste das Unternehmen auf den Wunsch der Regierung eingehen, "origo.hu entweder einzubremsen oder ganz aufzugeben, einschließlich personeller Konsequenzen". So beschrieb das Portal 444.hu den Vorgang unter Berufung auf einen hochrangigen Regierungsvertreter. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 7./8./9.6.2014)