Chronologie eines Skandals
Acht Menschen sind zwischen Juni 2009 und Februar 2010 in Österreich und Deutschland nach dem Konsum von mit Listerien verunreinigtem Rohmilchkäse des oststeirischen Werks der Firma Prolactal gestorben. Folgend eine Chronologie des Lebensmittelskandals und der Weg bis hin zum ersten Prozesstag:
Jänner 2010 - Die steirische Landessanitätsdirektion und die damalige Gesundheitslandesrätin Bettina Vollath (SPÖ) erfahren durch die AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) von der Möglichkeit eines Listerienbefalls bei den Produkten der Firma Prolactal. Am 13. und 18. Jänner werden Proben gezogen. Von zehn Teilproben sind sechs befallen. Laut AGES wurde am 15. Jänner der epidemiologische und am 21. Jänner der mikrobiologische Nachweis erbracht, dass es sich um den Käse der Firma Prolactal handelte.
22. Jänner 2010 - Die Landessanitätsdirektion erlässt wegen Gefahr im Verzug einen mündlichen Bescheid, laut dem die Firma keine Produkte mehr in den Verkehr bringen darf. Der schriftliche Bescheid erfolgt am 25. Jänner. Über die zeitliche Abfolge der Alarmierung und das Krisenmanagement entspann sich in der Folge ein Streit zwischen Bundes- und Landesbehörden; die Frage nach der politischen Verantwortung wurde aufgeworfen.
23. Jänner 2010 - Prolactal startet eine Rückholaktion von 50 bis 60 Tonnen Käse. Betroffen sind unter anderem österreichische Märkte von Spar und der Rewe-Gruppe sowie deutsche Lidl-Filialen.
15. Februar 2010 - Es wird bekannt, dass 2009 zwölf Menschen in Österreich an dem im Käse gefundenen Listerien-Typus erkrankt sein sollen. Laut Gesundheitsministerium starben vier der Betroffenen. Auch in Deutschland werden zwei Todesfälle auf den Käse zurückgeführt. 2010 können in Österreich drei von elf Erkrankungen dem Bakterien-Typus zugeordnet werden.
16. Februar 2010 - Prolactal stellt die Produktion ein, bis die Ursachen für die Verunreinigung restlos geklärt sind. Laut Gesundheitsministerium handelt es sich bei dem Listerien-Typus um einen Stamm, der noch nie zuvor eine Erkrankung bei Menschen hervorgerufen hat. Bei zwei Überprüfungen von Prolactal im Jänner und Mai 2009 waren keine Überschreitungen von Listerien-Grenzwerten festgestellt worden.
18. Februar 2010 - Die Grazer Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen ein. Prolactal erneuert die Verbraucherwarnung für den rückgerufenen Käse und warnt vor dem Verzehr. Gleichzeitig beauftragt die Firma ein unabhängiges Expertenteam mit der Ursachenerforschung.
24. Februar 2010 - Ein weiterer Todesfall in Österreich - der fünfte seit Ausbruch der Infektionen - wird bekannt. Um eine groß angelegte Sicherheitskontrolle durchzuführen, stoppt das Hartberger Werk von Prolactal die Auslieferung sämtlicher Produkte.
26. Februar 2010 - Auch in Deutschland ist ein weiteres, das insgesamt dritte Todesopfer zu beklagen: Die Person starb nach einem Verzehr des Käses am 11. Februar. Insgesamt sind somit acht Menschen im In-und Ausland im Zusammenhang mit der Listerien-Belastung in Prolactal-Produkten ums Leben gekommen.
28. Februar 2010 - Ein Fehler im internen Warn- und Kontrollsystem wird als Ursache für die Listerien-Kontamination vermutet. Als Überträger werden Dungkäfer angenommen, die offenbar trotz engmaschiger Fliegengitter durch ein geöffnetes Fenster ins Innere gelangten und im Herbst 2009 auffielen.
1. März 2010 - Laut AGES könnten die ersten Verunreinigungen mit Listerien bereits im Frühjahr 2009 passiert sein. Weiters heißt es, dass Dungkäfer nicht der alleinige Auslöser gewesen sein dürften.
21. April 2010 - Der Nationalrat beschließt eine Novelle zum Lebensmittelgesetz mit dem Ziel, eine schnellere Information der Bevölkerung durch die Behörden bei Lebensmittelskandalen zu gewährleisten. Abgelehnt wurde das BZÖ-Begehren einer Ministeranklage gegen Gesundheits-Ressortchef Alois Stöger (S).
23. April 2010 - Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) fordert für mehrere Geschädigte Schadenersatz.
15. Mai 2010 - Die Staatsanwaltschaft Heilbronn leitet Ermittlungen gegen den Discounter Lidl in Deutschland ein. Käse soll trotz Listerien-Belastung verkauft worden sein.
21. Mai 2010 - Prolactal wird gemeinsam mit dem Stuttgarter Verbraucherschutzministerium in Deutschland angezeigt.
Oktober 2010 - Die Staatsanwaltschaft Graz spricht nach einem eingeholten Gutachten von "Fehlern im Qualitätsmanagement" und "mehreren Nachlässigkeiten".
9. November 2010 - Die Prolactal SauermilchkäsevertriebsgmbH wird vom Linzer Stammbetrieb abgespalten.
9. Dezember 2010 - Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) reicht im Namen von acht Geschädigten eine Sammelklage gegen Prolactal ein.
Juni 2011 - Der VKI hat mit der Firma Prolactal einen Vergleich abgeschlossen. Acht geschädigte Personen bekamen Schadenersatzansprüche in Höhe von 76.000 Euro.
2. Mai 2012 - Es wird bekannt, dass laut einem medizinischen Gutachten bei sieben Konsumenten die Listeriose zumindest mitverantwortlich für den Tod war.
Frühjahr 2013 - Das Amtsgericht Heilbronn verhängte über Lidl Deutschland wegen Verstößen gegen das Lebensmittelrecht Geldstrafen von insgesamt 1,5 Millionen Euro.
23. August 2013 - Die Staatsanwaltschaft Graz erhebt Anklage wegen des Verdachts der fahrlässigen Gemeingefährdung mit Todesfolge in sieben Fällen.
16. September 2013 - Es wird bekannt, dass ich die Anklage gegen vier leitende Angestellte und den Labor-Chef richtet. Als sechster "Angeklagter" wird auch die Firma Prolactal geführt. Diese Vorgehensweise ist aufgrund des Gesetzes bezüglich der Verbandsverantwortlichkeit seit einigen Jahren möglich.
21. März 2014 - Wissenschafter der Veterinärmedizinischen Uni Wien veröffentlichen eine Analyse des Erbguts der beiden für die Todesfälle mitverantwortlichen Bakterienstämme: Sei beide haben unterschiedliche Eigenschaften und sind unabhängig voneinander in den Betrieb gekommen.
10. Juni 2014 - Der für mehrere Tage anberaumte Prozess gegen insgesamt sechs Angeklagte beginnt im Straflandesgericht Graz.