So harmlos das Produkt aussah, so schwerwiegend waren die Folgen in Österreich und Deutschland 2009 und 2010, als man verseuchte Ware in Umlauf brachte. Acht Menschen starben.

Foto: Prolactal

Graz - Der 58-jährige Mann, der am Dienstagmorgen im Rollstuhl von seinem Anwalt in den großen Schwurgerichtssaal im Grazer Straflandesgericht geschoben wird, kann nur undeutlich sprechen. Er war einst Topmanager bei einem Pharmaunternehmen, bis er mit 54 nach dem Verzehr eines Brotes mit listerienverseuchtem Quargel ins Koma fiel und schwer erkrankte.

Sein Vater, der ihn zum Prozess gegen die Firma Prolactal, aus deren Produktion der Käse kam, begleitet, wirkt ebenfalls schwer gezeichnet. Er hatte nach dem familiären Schicksalsschlag einen Herzinfarkt. Sohn, Vater und Mutter schlossen sich als Privatbeteiligte dem Prozess in Graz an.

Anklage wegen fahrlässiger Gemeingefährdung

Der 58-Jährige ist nur eines von vielen mutmaßlichen Opfern der mit Listerien verseuchten Produkte, die in den Jahren 2009 und 2010 erkrankten. Acht Menschen in Österreich und Deutschland starben in der Folge - bei sieben von ihnen sieht Staatsanwalt Stefan Strahwald einen direkten Zusammenhang mit dem Quargel.

Im Falle des 58-Jährigen bestreitet die Verteidigung die Kausalität, da auch andere Produkte im Kühlschrank des Mannes der Grund gewesen sein könnten. Anwalt Alexander Klauser, der insgesamt vier Opfer vertritt, spricht hingegen von einer "eindeutigen Beweislage".

Mit Prolactal, dessen österreichisches Werk seinen Sitz im steirischen Hartberg hat, sind vier einstige Mitarbeiter (eine Frau und drei Männer), und der Chef eines Labors, das im Auftrag der Firma forschte, wegen fahrlässiger Gemeingefährdung angeklagt. Es drohen bis zu drei Jahre Haft. Verfahren gegen Verantwortliche des Gesundheitsministeriums, den zuständigen Mitarbeitern der Lebensmittelaufsicht und den Landessanitätsdirektor wurden nach der Entlastung im Sachverständigengutachten eingestellt.

"G'standenes Unternehmen"

Wie die Anwälte der Angeklagten am Dienstag ausführten, wollen sich zwei der ehemaligen Chefs schuldig bekennen, weil sie den kontaminierten Käse nicht rechtzeitig einzogen. Zwei weitere Mitarbeiter sehen keine Schuld bei sich. Auch der 47-jährige Leiter eines Prüflabors antwortete auf die Frage des Richters, ob er sich schuldig fühlt: "Absolut nicht."

Er war der erste Angeklagte, der am Dienstag vor Richter Raimund Frei aussagte. Er habe alle Testergebnisse des Forschungsprojektes stets weitergegeben und erwartet, dass ein "g'standenes Unternehmen" wisse, was zu tun sei.

Eine Meldepflicht an Behörden habe es damals nicht gegeben, im Gegenteil: Er unterlag sogar einer Schweigepflicht gegenüber Dritten. Erst 2011 sei das Gesetz - eben wegen der Prolactal-Fälle - "nachgebessert" worden.

Bis Freitag werden Angeklagte gehört. Im Juli, nach Anhörung der Gutachten, wird ein Urteil erwartet. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 11.6.2014)