Während in Österreich nach jahrzehntelangem Streit endlich die Lockerung des Amtsgeheimnisses Wirklichkeit werden soll, planen einige Politiker allen Ernstes eine Verschärfung der Geheimhaltungsregeln im Parlament. Vor allem aus FPÖ und ÖVP kamen in den letzten Monaten immer wieder Vorstöße, um das Twittern aus den Ausschüssen und insgesamt den Umgang von Abgeordneten mit sozialen Medien zu beschränken.

Twitterverbot?

Während für die Bevölkerung also endlich ein "Recht auf Zugang zu Informationen“ in der Verfassung verankert wird, sollen die gewählten Abgeordneten über Vorgänge im Parlament nur eingeschränkt berichten dürfen und noch stärker als bisher bei der Weitergabe von Informationen behindert werden.

Schon vor dem Aufkommen sozialer Medien bildete die Information der Bevölkerung neben der Beschlussfassung von Gesetzen und der Kontrolle der Regierung eine der drei Hauptaufgaben von gewählten Volksvertreterinnen und -vertretern. Auch auf der Homepage des Parlaments ist zu lesen, dass es "zum Rollenverständnis“ von Abgeordneten gehöre, "Kontakt zur Bevölkerung zu halten“ und diese zu informieren. Und diese Informationspflicht soll nun beschränkt werden?

Der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf begründete am Sonntag seinen Vorstoß damit, dass nicht öffentliche Sitzungen der "Erzielung von Kompromissen“ dienen und diese Kompromissfindung durch die Berichterstattung nicht gestört werden dürfe.

Ein schlechter Witz

Parlamentarische Realität ist, dass bei den Vertreterinnen und Vertretern der Regierungsparteien in den seltensten Fällen die "Erzielung von Kompromissen“ im Vordergrund steht. Ganz im Gegenteil: Nicht selten verweigern die Abgeordneten der Regierungsparteien eine wirkliche Auseinandersetzung in den Ausschüssen und lassen Anträge der Opposition gar nicht erst zur Abstimmung kommen.

In Ausschüssen werden Regierungsvorlagen, Anträge der Oppositionsparteien, Bürgerinitiativen und Petitionen verhandelt und es wird – theoretisch – darüber abgestimmt. "Theoretisch“ deshalb, weil in der Praxis Anträge der Oppositionsparteien und BürgerInnenanliegen regelmäßig vertagt werden, was de facto einer Ablehnung gleich kommt.

Beispiele gefällig?

Im letzten Unterrichtsausschuss standen 17 Anträge von Opposition und Bürgerinitiativen zur Verhandlung. Einer davon war mein Antrag zur Durchsetzung der Landeslehrer-Controllingverordnung. Er hatte zum Ziel, eine von der Bildungsministerin selbst angekündigte Initiative zu unterstützen. Bislang stellen nämlich die Länder Lehrerinnen und Lehrer an und lassen sich dann einen Großteil der Kosten vom Bund erstatten. Mit anderen Worten: Die Bundesländer geben mit der Bankomatkarte des Bundes Geld aus und der Bund darf dabei ohne Einspruchsrecht zusehen.

Wir Grüne unterstützten daher den Vorstoß der Bildungsministerin, die aber inzwischen von Spindelegger und Faymann zurückgepfiffen worden war. Die Regierungsparteien "vertagten“  daher meinen Antrag. Sie verhinderten, dass die Opposition ein Regierungsmitglied unterstützt.

Auf Twitter, auf Facebook und auf meinem Blog habe ich das öffentlich gemacht und zumindest in diesem Bereich eine Diskussion ausgelöst. Natürlich nicht zur Freude von SPÖ und ÖVP. Deren Abgeordnete müssen nicht zuletzt wegen der Diskussionen in den sozialen Medien immer öfter über ihr Abstimmungsverhalten öffentlich Rechenschaft ablegen.

Unangenehme Öffentlichkeit

So stellte zum Beispiel ausgerechnet die "kritische“ Daniela Holzinger, die jüngste Abgeordnete der SPÖ, einen Antrag auf Vertagung und somit Beerdigung, als es um die Einführung eines eigenständigen Unterrichtsfaches "Politische Bildung“  ging. Da ist es natürlich unangenehm, wenn das umgehend öffentlich wird. Immerhin hatten sich vor der Nationalratswahl die Vertreter aller Parteien bei sämtlichen Schuldiskussionen  für ein solches Fach ausgesprochen.

Dass die Regierenden die Ausschüsse des Parlaments am liebsten ohne öffentliche Kontrolle agieren lassen möchten, kann man verstehen. Doch durchgehen lassen sollte man ihnen dieses metternichsche Ansinnen auf keinen Fall. (Leserkommentar, Harald Walser, derStandard.at, 10.6.2014)