Wien - Seit Februar ist Pause. Die Bauarbeiten für den Semmeringtunnel sind seither eingestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hatte die umweltrechtliche Bewilligung dafür aufgehoben.

Gecancelt wurde auch der Enteignungsbescheid für jene Grundstücke, auf denen die Deponie für den Tunnelaushub errichtet werden sollte. Das Landesverwaltungsgericht der Steiermark hatte die Bewilligung nach Einsprüchen von Anrainern aufgehoben. "Dem Semmering-Basistunnel geht langsam die rechtliche Basis verloren", sagt Christian Schuböck, Generalsekretär vom Verein Alliance for Nature, der erfolgreich Beschwerden eingebracht hatte.

Dennoch: Das ÖBB-Management sei überzeugt, im Sommer einen neuen UVP-Bescheid in Händen zu haben, um die Bauarbeiten fortzusetzen zu können, sagt ÖBB-Regionalsprecher Christopher Seif.

Ein aktuelles Gutachten des Münchner Verkehrsplanungsunternehmen Vieregg-Rössler GmbH hat nun einen radikalen Vorschlag für Österreichs Bundesregierung: Am besten, man lasse das Semmeringtunnel-Projekt fallen. Es sei "alles in allem eine Nummer zu großzügig" angelegt und bringe Österreich in den nächsten Jahren gemeinsam mit anderen auf Pump finanzierten Bahnprojekten in eine prekäre Budgetsituation.

Vieregg-Rössler hatte zuletzt Rentabilitätsrechnungen für deutsche Bahnprojekte und auch Einsparungspotenziale bei deutschen Schienen-Großprojekten erhoben. Der österreichische Tunnelexperte, Unternehmer und prononcierte Kritiker des Semmeringtunnel-Projektes, Franz Fally, hatte die Studie in Auftrag gegeben. Fally warnt seit Jahren, dass sich Österreich an den Tunnelvorhaben Semmering und Koralm budgetär überheben könnte.

Zu diesem Schluss kommen nun auch die deutschen Verkehrsplaner in ihrer 96 Seiten umfassenden Expertise. Auf Basis deutscher Rechenmodelle sei der Semmering-Basistunnel wirtschaftlich nicht sinnvoll. Der Semmeringtunnel aber auch der Koralmtunnel seien im Vergleich zu anderen europäischen Schienenverkehrskorridoren schlicht zu teurer, sagt Geschäftsführer Martin Vieregg im Standard-Gespräch.

Verzehnfachung des Betrags

Zusätzliche Staatsausgaben, so die Studie, in Höhe von 3,1 Milliarden Euro für den Semmering-Basistunnel führten ohne Tilgung bei einem Zinssatz von fünf Prozent in 50 Jahren zu 35,5 Milliarden Euro und somit zu mehr als einer Verzehnfachung des ursprünglichen Betrags. Bezogen auf die Summe von 25 Milliarden Euro für die aktuellen Schienen-Großprojekte in Österreich ergeben sich demgemäß in 50 Jahren 300 Milliarden Euro. Staatshaushalt und Steuerzahler würde das "unweigerlich in eine dauerhafte Wirtschaftskrise führen und Österreich im europäischen Wettbewerb massiv zurückwerfen", prophezeit Vieregg.

Fazit der Studie: Das Projekt wirke "wohlstandsmindernd für die österreichische Gesamtgesellschaft. Es ist volkswirtschaftlich am sinnvollsten, den Tunnel nicht zu bauen." Zumal auch eine Konkurrenzbahn im Süden über Ungarn und Slowenien entstehe, mit geringeren Transitkosten für den Frachtverkehr. Also werde sich der Güterverkehr dorthin verlagern, ist Vieregg überzeugt.

Der Konter der ÖBB: Grundsätzlich davon auszugehen, dass sich Infrastruktur betriebswirtschaftlich "rechnen" soll, sei ein "verquerer Gedanke". Nicht einmal der Eurotunnel zwischen London und Paris "rechne" sich. Dennoch spreche der Erfolg für das Projekt. (Walter Müller, DER STANDARD, 11.6.2014)