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So viele wollten so viel von ihm wissen. Diego A. Maradona hielt kurz Zwiesprache mit dem, der ihm die Hand geschenkt hat. Dann also sprach er: "Die Fifa verfolgt mich."

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Vor 20 Jahren hat sich die Fifa erstmals bewusst in die Missionarsstellung begeben. Es galt, den nordamerikanischen Kontinent zu bekehren, jenen Teil, der nicht zum Lateinischen zählt. Man bestand also bei der Vergabe 1988 in Zürich darauf, dass die USA eine landesweite Profiliga ins Leben rufen. Das tat der Verband denn auch. Ob die Missionierung mittels Major League Soccer geglückt ist, sei dahingestellt. Manche vermuten da überseeisch immer noch eher einen lauen Taufscheinkick.

Das Turnier 1994 wurde in God's own country allerdings mit einer geradezu barock-jesuitischen Verve, mit viel Tamtam und großer Schaulust, über die Bühne gebracht. Bis heute hält die 15. WM den Zuschauerrekord. Nicht nur pro Spiel, sondern in absoluten Zahlen.

Und das, obwohl damals zum letzten Mal 24 statt heute 32 Teams antraten, die in 52 statt heute 64 Spielen sich ausmachten, dass Brasilien zum vierten Mal Weltmeister wurde in einem dann doch durchaus erbaulichen Finale gegen Italien, das 120 Minuten lang so lähmend catenaccioisiert worden ist, dass die Italiener daraufhin zu Recht die Hand eines gerechten Gottes zu spüren bekamen. Kapitän Franco Baresi, Daniele Massaro und schließlich Roberto Baggio vergaben im Elferschießen.

Dopingjäger finden Maradona

Apropos Hand Gottes: Diese prägte die WM fraglos am meisten. Alt geworden schon; ein wenig rundlich, ja; aber immer noch der alte, herrliche Diego Armando Maradona, der seine Albiceleste - dem Gläubigen ist jedes Hättiwari erlaubt - zum dritten Titel geführt hätte. Und sei es eben, wie 1986 drunt in Mexiko gegen England, "con la mano de Dios".

Gegen Nigeria und Griechenland geigte Maradona, unterstützt vor allem von Claudio Caniggia, mit der durch Alterserfahrung aufgedoppelten Kraft der Jugend. Den dafür verantwortlichen Jungbrunnen fand der Dopingjäger. Argentinien verlor - gottlos quasi - sein letztes Gruppenspiel gegen Bulgarien. Und dann auch noch das Achtelfinale gegen Rumänien.

Die Niederlagen gegen diese beiden Mannschaften waren freilich nicht nur dem Schock geschuldet. Rumänien und Bulgarien waren die großen Überraschungen des Turniers. In den letzten Zuckungen volksrepublikanischen Irrsinns, die vor allem in Rumänien sehr blutig waren, war eine goldene Fußballgeneration gewachsen, die nun, sechs Jahre nach der Wende, aufblühte. Rumäniens Team rund um Gheorghe Hagi, den sie Karpaten-Maradona nannten, scheiterte im Viertelfinale erst an der schwedischen Gelassenheit beim Elferschießen.

Stoitschkow egalisiert Matthäus

Nachbar Bulgarien schaffte es bis ins Halbfinale. Gegen Deutschland! Den geschenkten Elfer, den Lothar Matthäus kurz nach der Pause verwandelt hatte, egalisierte Hristo Stoitschkow, Jordan Letschkow setzte nach. Über allem ruhte der Blick des Trifon Iwanow. Und wie sehr der vor allem auf einem gegnerischen Stürmer ruhen konnte, war wenig später dann auch in Wien zu sehen. Erst bei Rapid, dann bei der Austria. Manche schalten bis heute das Licht ein, wenn sie das Unglück haben, aus einem Traum von ihm zu erwachen, schweißgebadet.

Über Schweden nahm Brasilien jenes Projekt in Angriff, das heuer seinen Abschluss finden soll. Nach dem dritten Titel 1970 in Mexiko fand die nach Jules Rimet benannte Trophäe ihre Heimat in Rio. Die seit 1974 verliehene ist zwar als ein ewiger Wanderpokal gedacht. Gelänge dem Gastgeber allerdings wirklich der sechste Titel, muss die Fifa darüber wohl noch einmal nachdenken. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 12.6.2014)