Käme in diesem Land jemand auf die Idee, jungen Menschen die Französisch-Matura zu verweigern, nachdem sie die Sprache jahrelang gelernt haben? Oder Spanisch? Oder Russisch? Natürlich nicht. Aber kaum geht es um Türkisch, wird die Diskussion gleich so aufgeregt geführt, als dräue das Ende des Abendlandes. Immerhin: ÖVP-Minister zeigen sich diskussionswillig, angestoßen wurde die Debatte ja auch von einer schwarzen Wiener Gemeinderätin. Umso erstaunlicher, wie zurückhaltend die rote Unterrichtsministerin in der Frage ist.

Es geht ums Geld, denn es fehlt ein Türkisch-Lehrstuhl in Österreich. Aber es geht auch um die Symbolik. Türkisch ist die Familiensprache vieler junger Österreicher, es ist aus dem Alltag nicht wegzudenken; und anstatt die Sprachkenntnisse von Kindern aus Migrantenfamilien gezielt zu fördern, lässt man ihr Wissen verschütt gehen. Aus Angst vor einem blauen Bahöl? Oder vor der Schlagzeile der Kronen Zeitung? Das alles schwingt mit, man denke nur an den Wirbel, als die Niederösterreichische Molkerei vor ein paar Jahren das türkische Wörtchen Süt auf ihre Milchpackerl drucken ließ.

Freilich: Wenn Wahlkampf ist, lassen die Regierungsparteien ihre Migrantenkandidaten gern um Stimmen in der Community laufen. Wähler bringen dürfen sie, die Türken. Aber ihre eigene Sprache in der Schule lernen? So weit ist es dann doch nicht her mit der viel gepriesenen Diversität. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 12.6.2014)