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Brasilianisches Essen, Kekse, Eis und viel Fußball - wenn es ginge, auch 25 Stunden pro Tag: Die Bedürfnisse von Neymar sind leicht zu decken. Sein größter Wunsch ist nicht so leicht zu erfüllen. Der junge Mann will mit der Seleção Weltmeister werden.

Foto: AP

Er ist Neymar. In den Straßen von Rio, São Paulo oder Belo Horizonte gibt es zigtausende Kopien. Dicke, dünne, große, kleine, männliche, weibliche. Sie tragen das gelbe Leiberl mit der Nummer 10. Als wäre die Seleção ein Einmannunternehmen. Ist sie natürlich nicht, wobei der Grundsatz gilt: "Geht es Neymar gut, geht es allen gut." Von der 22-jährigen Offensivkraft wird nicht gerade eine Kleinigkeit verlangt. Er soll die Regie und Hauptrolle in der brasilianischen Seifenoper "Hexacampeão" übernehmen. Das Drehbuch sieht als Schlusssequenz den sechsten Weltmeistertitel vor. Es sind sieben Episoden - das ist die Anzahl der notwendigen Partien - eingeplant.

Der erste Teil spielt am Donnerstag im Stadion von São Paulo. Kroatien ist der überhaupt nicht zu unterschätzende Gegner. Die Mannschaft, die vom Brüderpaar Niko und Robert Kovac trainiert wird und sich in Bad Tatzmannsdorf vorbereitet hat, nimmt die Rolle des Nebendarstellers dankend an. Niko, der Chef, sagt: "Die ganze Welt wird zuschauen. Wir sind stolz darauf, und es ist uns eine Ehre, dabei sein zu dürfen." Robert, der Assistent, sagt: "Stimmt." Topstürmer Mario Mandzukic ist gegen Brasilien gesperrt, er sagt deshalb, dass er weg von Bayern München möchte. Und zwar schleunigst.

Optimist Modric

Luka Modric bleibt natürlich bei Real Madrid, der Mittelfeldspieler rechnet sich durchaus seriöse Chancen gegen die Gastgeber aus. "Sofern es uns gelingt, unsere Qualitäten zu zeigen. Praktisch jedes Fußballspiel wird im Mittelfeld entschieden. Und wir müssen Mittel finden, um Neymar zu stoppen."

Er heißt Neymar da Silva Santos Junior und wurde am 5. Februar 1992 in Mogi das Cruzes, Bundesstaat São Paulo, geboren. "Er ist in jeder Partie anders, immer für Überraschungen und Zaubereien gut", sagt Teamchef Felipe Scolari, der die Seleção absolut im Griff hat, den Laden sehr souverän schupft. Der 65-Jährige hält der medialen Lawine furios stand. "Es werden mehr als 30 Tage sein, wo man Opfer bringen muss. Wir veranstalten die WM sicher nicht, um Vierter zu werden."

Fehlendes Sinnesorgan

Neymar, der in 49 Länderspielen 31 Treffer erzielt hat, versichert, mit dem Druck umgehen zu können. "Vielleicht fehlt mir das Sinnesorgan, mit dem man Druck wahrnimmt. Seit ich 13 bin, stehe ich unter Beobachtung. Warum soll ich mir den Kopf zerbrechen?" Er war das Wunderkind des FC Santos. In seiner ersten Saison beim FC Barcelona geigte er freilich selten bis nie. Was nichts zu bedeuten hat. "Im Nationalteam ist er ein anderer Mensch", sagt der Fernsehjournalist Filipe De Almeida, der die Seleção seit rund 20 Jahren begleitet und Neymars Karriere verfolgt. "Er ist normal geblieben, geht auf die Menschen zu, ist offen, spielt eine wichtige gruppendynamische Rolle innerhalb der Mannschaft. Er hat das Zeug zum Helden."

Um in Brasilien ein Held zu werden, muss ein Fußballer unbedingt Weltmeister sein, daran führt kein Weg vorbei. Und dann thront immer noch Pelé über einem. De Almeida: "Zu Pelé fehlt Neymar ein Stück. Das ist wie in Argentinien. Messi wird immer unter Maradona sein, solange er nicht Weltmeister ist. Da kann er zwanzigmal Weltfußballer sein." Neymar selbst scheut Vergleiche mit dem legendären Pelé. "Es ist eine große Ehre, aber er ist der König. Ich bin nur der Junge, der Fußball spielen will." Ich bin Neymar heißt das Buch, das in Brasilien kaum überraschend ein Bestseller wurde. Es ist ein Dialog zwischen Vater und Sohn. Der Papa ist die absolute Bezugsperson, führt die Geschäfte, ist mitverantwortlich dafür, dass der Bub nicht durchdreht.

Der einfache Neymar

"Ich wurde als einfacher Mensch geboren und werde auch als solcher sterben. Ich bin kein Typ für große Veränderungen, nur bei meiner Frisur. Ich liebe einfaches Essen, richtiges brasilianisches Essen: Reis, Bohnen, Pommes frites und geröstetes Maniokmehl. Braucht man noch mehr? Ja. Kekse und Eis. Und Fußball. Ich lebe 25 Stunden am Tag für den Fußball", schreibt der Junior, der sich des Zulaufs der Sponsoren kaum erwehren kann. Eins fehlt freilich zum Glück. "Den Weltmeistertitel wünsche ich mir mehr als alles andere." Das Drehbuch kennt er. Er ist Neymar. Die erste Klappe fällt in São Paulo. (Christian Hackl aus São Paulo, DER STANDARD, 12.6.2014)

Möglichen Aufstellungen:

Gruppe A (1. Runde):

Brasilien - Kroatien (Donnerstag, 22 Uhr, Sao Paulo, Corinthians Arena, SR Nishimura/Japan)

Brasilien: 12 Julio Cesar - 2 Dani Alves, 3 Thiago Silva, 4 David Luiz, 6 Marcelo - 8 Paulinho, 17 Luiz Gustavo, 11 Oscar - 7 Hulk, 9 Fred, 10 Neymar

Ersatz: 1 Jefferson, 22 Victor - 13 Dante, 14 Maxwell, 15 Henrique, 23 Maicon, 5 Fernandinho, 16 Ramires, 18 Hernanes, 19 Willian, 20 Bernard, 21 Jo

Teamchef: Luiz Felipe Scolari

Kroatien: 1 Pletikosa - 11 Srna, 5 Corluka, 6 Lovren, 2 Vrsaljko - 18 Olic, 7 Rakitic, 10 Modric, 20 Kovacic, 4 Perisic - 9 Jelavic

Ersatz: 12 Zelenika, 23 Subasic - 13 Schildenfeld, 21 Vida, 8 Vukojevic, 14 Brozovic, 19 Sammir, 16 Rebic, 22 Eduardo, Badelj

Es fehlen: 17 Mandzukic (gesperrt), 3 Pranjic (verletzt)

Teamchef: Niko Kovac