Peter Trimble bei der Arbeit: Dem Studenten ist es gelungen, einen Baustoff herzustellen, der biologisch und gleichzeitig stabil ist. Als Zutaten reichen Sand und Harnstoff.

Foto: Trimble

Wenn man durch eine x-beliebige Stadt fährt, stellt man fest, dass manche Dinge höchst umweltschädlich sind. Autos gehören dazu, rauchende Schornsteine und Kohlekraftwerke, Müllverbrennungsanlagen ebenso. Was man auf den ersten Blick allerdings nicht sieht oder ahnt, ist die Tatsache, dass auch die Baustoffe wenig umweltfreundlich sind.

Bei der Herstellung von Beton, Ziegelsteinen oder Asphalt werden jedes Jahr tausende Tonnen des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 (Kohlendioxid) in die Atmosphäre gejagt. Die Zementindustrie ist einer der zwei größten CO2-Produzenten. Sie allein steht für rund fünf Prozent der weltweiten Emissionen von Kohlendioxid. Etwa die Hälfte davon ist dabei auf den chemischen Herstellungsprozess zurückzuführen.

Herstellung ohne Hitze

Wissenschafter arbeiten deshalb an alternativen Baustoffen, deren Herstellung umweltfreundlicher ist. Der Student Peter Trimble von der Universität Edinburgh ist in seiner Abschlussarbeit der Frage nachgegangen, ob es möglich ist, Baustoffe ohne intensive Hitze herzustellen. Er suchte ein Material, das strukturell ähnlich aufgebaut ist wie Beton, aber umweltfreundlicher produziert werden kann.

Die Antwort, die der junge Student gab, klingt so simpel wie kurios. Man nehme etwas Sand, eine Bakterienkultur, Calciumchlorid und ein wenig Harnstoff, fertig ist die Baumischung. Aus Sand wird ein künstlicher Sandstein - ohne Zugabe von Energie und das bei Raumtemperatur.

Innovativer Ansatz

Zugegeben: Trimbles Idee ist nicht neu. Ein Team aus Wissenschaftern der Universitäten Stanford und Brown (beide USA) forscht schon seit ein paar Jahren an einem Material, das auf dem Wege der synthetischen Biologie erzeugt wird und geeignet sein soll, Strukturen auf dem Mars zu bilden. Dem innovativen Ansatz Trimbles tut dies freilich keinen Abbruch. Der Student wollte auch nicht nach den Sternen bzw. Planeten greifen, sondern eine pragmatische Lösung präsentieren.

Trimble, der eigentlich Produktdesign studiert, las wissenschaftliche Papers, sprach mit Geoingenieuren und setzte seine Mixtur in einem Labor ins Werk. Die Apparatur erinnert an eine Alchimistenküche. Wie einst Avicenna gab er in einen großen Bottich die Zutaten. Der Sand wurde zunächst mit Urea vermengt. Nette Randnotiz: Der Jungforscher nutzte dabei ein Konzentrat, um seinen Kommilitonen das Wasserlassen zu ersparen.

Am nächsten Tag träufelte Trimble Bakterien und Calciumchlorid in die Mischung. Der Harnstoff reagierte mit dem Bakterium und wandelte den Sand in Sandstein um. Der Clou: Aufgrund der chemischen Reaktion brauchen die Bioziegel nicht gebrannt zu werden, sondern härten bei Raumtemperatur. Das spart Energie und ist obendrein umweltfreundlicher. Die Mikroben kleben die Sandkörnchen zusammen und verleihen dem Baustoff eine Festigkeit, die mit herkömmlichen Ziegeln vergleichbar ist.

Verbesserungsbedarf

Trimble baute aus dem Bio-Sandstein einen u-förmigen Stuhl, der ein Gewicht von 100 Kilogramm aushielt. Die Feuertaufe hat der Sitz in dem Video bestanden. Freilich war das nur ein Test im Kleinen. Doch der Versuch könnte auch im größeren Rahmen gelingen.

Angesichts der zunehmenden Verstädterung stellen Sandsteinziegel eine Alternative zu konventionellen Baumaterialien dar. Sie könnten helfen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Gleichwohl: In Sachen Solidität und Erosionsschutz besteht noch Verbesserungsbedarf. Bis der biologische Baustoff in großem Stil eingesetzt werden kann, dürften wohl noch einige Jahre vergehen. (Adrian Lobe, DER STANDARD, 31.5.2014)