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Demonstration für eine prowestliche Ukraine im April in Tiflis. 80 Prozent der Georgier sind für einen EU-Beitritt.

Foto: AP/Aiwasow

Vor der Public Service Hall im Zentrum von Tiflis weht wie selbstverständlich auch die Europafahne - so, als wäre Georgien schon in der EU. Was Bürgernähe anlangt, gibt das Land im Südkaukasus manchem Mitglied der Union tatsächlich schon einiges vor. Ein Unternehmen registrieren zu lassen dauert nur wenige Stunden.

Die Reise in die EU, die laut Umfragen rund 80 Prozent der Georgier machen wollen, wird etwas länger werden. Ein Meilenstein, immerhin, ist am 27. Juni erreicht: die Unterzeichnung des Assoziierungs- und Freihandelsabkommens auf dem EU-Gipfel in Brüssel. Kommissionspräsident José Manuel Barroso schließt heute, Freitag, in Tiflis die Vorbereitungen ab. Offizieller Anlass des Besuchs ist eine Wirtschaftskonferenz mit potenziellen Investoren.

Die Regierung in Tiflis versucht den Eindruck von business as usual zu vermitteln, wenn Russlands Reaktion auf das EU-Abkommen angesprochen wird. Die Ukraine-Krise wurde ja durch Moskaus Versuch ausgelöst, Kiews Annäherung an die EU zu vereiteln. Muss sich Georgien auf Ähnliches gefasst machen? Im Außenministerium gibt man sich betont geschäftsmäßig. Vizeressortchef David Zalkaliani verweist auf die Politik des Dialogs, die Tiflis seit dem Machtwechsel 2012 im Gefolge des Krieges um Südossetien 2008 verfolge. Obwohl mehr als 20 Prozent georgischen Territoriums besetzt seien (neben Südossetien die ebenfalls abtrünnige Westregion Abchasien, Anm.), suche man kontinuierlich das Gespräch mit Moskau. "Wir geben ihnen keinerlei Chance, uns zu provozieren", sagt Zalkaliani in Anspielung auf die Politik des früheren Präsidenten Michail Saakaschwili.

Man habe jedenfalls die offizielle Zusicherung Russlands, nichts zu tun, um die Situation vor Unterzeichnung des EU-Abkommens zu destabilisieren. Dennoch "sind wir darauf vorbereitet, auf alle Herausforderungen zu antworten. Wir müssen die internationale Unterstützung, vor allem jene der EU, konsolidieren."

Schlüsselrolle Brüssels

Zalkaliani spricht dabei besonders die Auswirkungen des Freihandelsabkommens auf die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland an. In der Übergangsphase, in der 75 Prozent provisorisch umgesetzt werden sollen, sei die Rolle der EU in den Verhandlungen mit Moskau entscheidend.

Konkreter dazu wird der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im georgischen Parlament, Tedo Japaridse. Das Außenministerium in Moskau habe zwar erklärt, bei Unterzeichnung des EU-Abkommens mit Georgien werde es keine russische Intervention geben - was an sich schon sehr interessant sei. Zugleich aber heiße es in der Erklärung: Wenn Georgien unterschreibe, habe Russland das Recht, alle bilateralen Handelsabkommen zu überdenken. (Zwischenzeitlich hatte Russland Wein und Mineralwasser aus Georgien boykottiert, Anm.) Georgien solle über die Konsequenzen nachdenken. "Das ist eine Warnung."

Die bisherigen EU-Sanktionen im Ukraine-Konflikt lassen Russland nach Ansicht Japaridses völlig unbeeindruckt: "Die beste Sanktion gegen Russland wäre es, Georgien die EU-Mitgliedschaft zu garantieren." (Josef Kirchengast aus Tiflis, DER STANDARD, 13.6.2014)