Wien - Boko Haram könne man nicht vernichten, sondern nur einschränken. In diesem Punkt sind sich die Teilnehmer der Diskussion des Wiener Instituts für internationalen Dialog und Zusammenarbeit am Mittwoch einig. Und auch darin, dass die Regierung Nigerias zu lange untätig ist.

Bashir Alhaji-Shehu, Boko-Haram-Experte und Gastlektor an der Universität Wien, erzählt, dass bereits zu Beginn der 2000er-Jahre klar war, dass der radikale Prediger Mohammed Yusuf gefährlich sei. Trotzdem ließ man ihn ungehindert junge Studenten an den Universitäten rekrutieren.

Betteln für Bildung

Einen Grund für den Zustrom junger Männer zu der Terrororganisation sieht Alhaji-Shehu in der Bildungsstruktur im Norden Nigerias: Bereits mit fünf Jahren würden die Kinder von ihren Eltern in religiöse Schulen fernab ihrer Heimatdörfer geschickt. Dort müssten sie um Geld, Kleidung und Unterkunft betteln. Einen wirklichen Abschluss hätten sie nach Ende der Ausbildung auch nicht. "Da verwundert es nicht, dass diese Männer reichen Predigern mit radikalen Ideen folgen - eine andere Möglichkeit von Einkommen haben sie nicht", sagt der Nigerianer.

Wie sich die Boko Haram finanziert, liegt noch immer im Dunkeln. Rüdiger Lohlker, Professor für Orientalistik, spricht von einer Stiftung aus dem Golfraum. Aber auch Erpressungen und Entführungen würden Lösegelder fließen lassen. "Auch die französische Regierung hat für die Freilassung von Touristen gezahlt", sagt Lohlker. Die Entführung der mehr als 200 Mädchen im April sei deshalb auch weniger ein Fall von Menschenhandel als vielmehr eine weitere Einnahmequelle für die Terroristen. (bbl, DER STANDARD, 13.6.2014)