
Wien - Würde jetzt gewählt, dann hätte die FPÖ einen sicheren Wahlsieg in der Tasche: 27 Prozent werden ihr, seit Monaten unverändert, in der Hochrechnung des Linzer Market-Instituts bei einer vorgezogenen Nationalratswahl zugetraut. Das ist, ebenfalls weitestgehend unverändert, ein sicherer Abstand von fünf Prozentpunkten vor der SPÖ (22 Prozent). Die ÖVP, die bei der EU-Wahl mit deutlichem Vorsprung gewonnen hat, käme bei einer Nationalratswahl mit 19 Prozent auf den dritten Platz.
Das bedeutet eine leichte Erholung gegenüber einer Vergleichsumfrage Anfang Mai, als die ÖVP auf 17 Prozent abgerutscht war - verglichen mit dem Ergebnis der Nationalratswahl würden aber beide Koalitionsparteien jeweils rund fünf Prozent abrutschen und wohl auch keine parlamentarische Mehrheit mehr erreichen.
EU-Wahl gut für die FPÖ
Diese für den Standard erhobene Umfrage passt in das allgemeine Stimmungsbild. Gefragt wurde auch: "Ende Mai fanden die Wahlen zum Europäischen Parlament, die EU-Wahlen statt. Welche Partei hat Ihrer Meinung nach in Österreich vom Ausgang der Wahl profitiert, welcher Partei hat der Ausgang eher geschadet?" Darauf sagten 61 Prozent, das Ergebnis sei gut für die FPÖ gewesen (nur elf Prozent nahmen wahr, dass sie ihr Wahlziel verfehlt hat).
Dagegen sehen nur 30 Prozent, dass das Wahlergebnis der ÖVP innenpolitischen Nutzen gestiftet habe - eine relative Mehrheit von 42 Prozent meint sogar, dass das Ergebnis der ÖVP geschadet habe.
Deutlich erkannt wird, dass das Ergebnis der EU-Wahl für die SPÖ nicht gut war: 55 Prozent sehen die Sozialdemokratie geschwächt, nur 17 Prozent sehen sie gestärkt.
Bei den Neos, die sowohl bei den EU-Umfragen als auch in den Sonntagsfragen zu einer (vorgezogenen) Nationalratswahl seit dem letzten Herbst an die Grünen herangerückt waren, verhält es sich so: Das weit unter den Erwartungen liegende Ergebnis der pinken Partei wird von 34 Prozent als immer noch nützlich, von 31 Prozent als eher schädlich eingeschätzt.
Neos als "normale Partei"
Market-Chef Werner Beutelmeyer: "Die Neos waren in den letzten Monaten extrem populär - so sehr, dass sich überproportional viele Wahlberechtigte als Neos-Wähler deklariert haben, obwohl sie tatsächlich einer anderen Partei nahestehen. Das trifft in einem hohen Maß die ÖVP, zu der sich die Leute derzeit nicht bekennen wollen - was letztlich auch dazu geführt hat, dass die ÖVP vor der EU-Wahl tendenziell unterschätzt wurde, während die Neos überschätzt wurden. Inzwischen werden die Neos aber eher als normale Partei gesehen."
Einen ähnlichen "Over-Reporting"-Effekt in Umfragen hatte es jahrelang - auch noch in Umfragen vor der Wahl 2013 - für die Grünen gegeben, die dann ebenfalls unter ihren Erwartungen geblieben sind. Dafür bietet die jüngste Umfrage den Grünen Trost: 52 Prozent schätzen, dass die Grünen vom Wahlausgang (sie haben ein drittes Mandat gewonnen) innenpolitisch profitiert hätten, nur 15 Prozent unterstellen eine Schwächung. Diese Stärke ist auch in der Sonntagsfrage nachzuvollziehen: Bundesweit dürften die Grünen derzeit bei 15 Prozent (zweieinhalb Prozentpunkte besser als 2013) liegen. Damit wären sie klar vor den Neos, die bei einer Nationalratswahl elf Prozent (und damit immer noch mehr als doppelt so viel wie bei der Nationalratswahl 2013) erwarten könnten.
Kanzlerfrage
Weg vom Fenster wären bei einer Neuwahl das Team Stronach und das BZÖ: Die Orangen waren auch bei der EU-Wahl gescheitert, das Team Stronach gar nicht erst angetreten. Dasselbe Bild ergibt sich in der - hypothetischen - Kanzlerfrage: "Wenn Sie den österreichischen Bundeskanzler direkt wählen könnten, für wen würden Sie sich entscheiden?" (die so genannte Kanzlerfrage 1) und der Nachfrage an Unentschlossene: "Und wer käme für Sie am ehesten in Frage?" (Kanzlerfrage 2). Da nennt derzeit nicht einmal mehr jeder Hundertste Katrin Nachbaur, die Chefin des Team Stronach - den Parteigründer Frank Stronach hatten zeitweise bis zu acht Prozent der Wahlberechtigten gerne als Kanzler gesehen. Sein Glanz verblasste aber bei der Nationalratswahl und bei den folgenden internen Streitigkeiten.
Könnte man den Kanzler direkt wählen, würden sich derzeit 18 Prozent für Amtsinhaber Werner Faymann entscheiden - mit je 17 sind aber FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Grünen-Obfrau Eva Glawischnig de facto gleichauf. Weit dahinter - mit zehn beziehungsweise neun Prozent der kumulierten Nennungen aus Kanzlerfrage 1 plus 2 - kommen ÖVP-Chef Michael Spindelegger und Neos-Chef Matthias Strolz.
Die Grafik zeigt, dass es in der Kanzlerfrage in der langen Serie der Standard-Umfragen extreme Schwankungen gab. Beutelmeyer: "Faymann hatte vor der Nationalratswahl sehr gute Werte, auch Spindelegger konnte sich zeitweise als glaubwürdiger Herausforderer darstellen - aber in der Mühe des Koalitionsalltags leiden beide." Glawischnig dagegen liege als Einzige über den Werten ihrer Partei - und habe auch den Stimmungseinbruch nach der Nationalratswahl gut überstanden. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 14.6.2014)