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Bei Promis wie Opern-Diva Anna Netrebko geht die Einbürgerung in Österreich mitunter recht rasch.

Foto: APA/Schlager

Wien - Österreichs Regierungspolitiker haben offenbar einen eigenen Begriff von Transparenz: einen, der Geheimhaltung nicht ausschließt. Das zeigen STANDARD-Recherchen über die Regeln, nach denen Staatsbürgerschaften im besonderen Interesse der Republik verliehen werden: die sogenannten Promi-Einbürgerungen.

Die dabei angewandten Kriterien sind seit heurigem Winter verbrieft. Davor waren sie es nicht, auf Vorschlag der Länder und nach Stellungnahmen der Ministerien wurden Promi-Staatsbürgerschaften vom Ministerrat beschlossen. Seit 2010, als bekannt geworden war, dass Ex-BZÖ-Mann Uwe Scheuch dem Berater eines russischen Investors als Gegenleistung für eine teilweise Parteispende die österreichische Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt hatte, war bis heuer überhaupt eine Promi-Einbürgerungspause eingelegt worden.

Mindestens 59 Verleihungen

Am 20. Februar 2014 nun brachte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) einen Kriterienkatalog zu Beschluss, auf dessen Grundlage inzwischen mindestens 59 Verleihungen stattgefunden haben. Dem STANDARD liegt der Katalog vor, davor war er in Medienberichten nur bruchstückhaft bekannt geworden. Für Einbürgerungswillige mit besonderen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, sportlichen und künstlerischen Leistungen sieht er Überprüfungsparameter vor, die „nicht kumulativ“, aber „punktuell, wenn auch überwiegend“ erfüllt sein müssen .

„Mit Blick auf die in jüngster Zeit geführte kritische Auseinandersetzung mit dieser Thematik“ erscheine es „angebracht, die der Beurteilung des besonderen Interesses der Republik zugrundeliegenden Maßstäbe transparent darzulegen“, heißt es dazu im Einleitungstext. Auf derlei Offenheit hatte im Vorfeld besonders Ex-Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) gedrungen, der inzwischen zum Außenminister aufgestiegen ist.

Das Problem dabei ist nur, dass besagte „Transparenz“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden soll: Die Öffentlichkeit soll die Auflistung im Wortlaut gar nicht zu Gesicht bekommen, denn das Papier unterliegt dem Amtsgeheimnis.

Papier nur im Ministerrat

Grund dafür: Der Promi-Einbürgerungs-Kriterienkatalog wurde im Ministerrat abgesegnet und Ministerratsbeschlüsse sind Verschlusssachen. Als Gesetz oder Verordnung hätte das Papier einer öffentlichen Begutachtung unterzogen werden müssen, so nicht: ein ungewöhnlicher Rahmen für ein derartiges Regelwerk.

Dass die Kriterien nicht öffentlich einsehbar sind – und ihre Anwendung von Bürgerinnen und Bürgern daher nicht überprüf- oder kontrollierbar ist –, wurde kürzlich auch dem Politikwissenschaftler und Staatsbürgerschaftsgesetz-Experten Gerd Valchars klar: Als er sich auf einen Vortrag zu dem Thema vorbereitete, konnte er besagte Kriterienliste im umfassenden digitalen Rechtsinformationssystem (RIS) nicht finden. Alles, was er fand, war eine Verordnung, die im Gefolge der letzten Staatsbürgerschaftsgesetznovelle eingeführt wurde und regelt, wie die Bundesländer bei Promi-Staatsbürgerschafts-Verleihungen mit den Bundesministerien zusammenzuarbeiten haben.

Keine Auskunft

Valchars fragte bei einem Mitarbeiter des Innenministeriums nach. Die Kriterienliste gebe es, bestätigte dieser – aber aufgrund des Amtsgeheimnisses könne er sie Valchars nicht geben. Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck wiederholte dies auf STANDARD-Anfrage. Er verwies aufs Bundeskanzleramt: Der Kriterienkatalog unterliege dem Amtsgeheimnis, hieß es dort ebenfalls.

Auch auf die Frage, welchen Sinn die Geheimhaltung macht, gibt es weder im Innenministerium noch im Bundeskanzleramt stringente Antworten. Ein Beobachter des heimischen Promi-Einbürgerungswesens, der namentlich nicht erwähnt werden möchte, meint, dass wirkliche Transparenz bei Promi-Einbürgerungen nie geplant gewesen sei: Wer im besonderen Interesse der Republik eingebürgert werden solle, werde bereits auf Länderebene und später auch im Bund unter Parteienvertretern ausgemacht. (Irene Brickner, DER STANDARD, 16.6.2014)