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Für Diego Forlan scheint die Zeit abgelaufen.

Foto: APA/EPA/Lavandeira

Fortaleza - Der Fußball ist auch dazu da, fürs Leben was zu lernen. Eines der vorrangigsten Lernziele ist es, nicht dem eigenen Euphemismus aufzusitzen. Dem Wort "junggeblieben" zum Beispiel. Kein Mensch - auch Diego Forlán oder Iker Casillas nicht - bleibt jung. Sie werden, wie du und vor allem ich, schlicht alt. An manchen Tagen ganz besonders.

Am Samstag hat Forlán so einen Tag erlebt. Der 35-Jährige, der vor vier Jahren noch den Goldenen Ball für den besten Spieler des WM-Turniers in Südafrika bekommen hatte, unbestritten, fand sich am Samstag gegen Costa Rica beim alten Eisen wieder; sozusagen links liegengelassen von Joel Campbell, dem 21-jährigen Rookie von Costa Rica, der mit seinem 1:1 der uruguayischen Seniorenmannschaft - das Durchschnittsalter liegt bei mehr als 27 Jahren - das Messer angesetzt hat.

Sicher: Luis Suárez, die Sturm-Offenbarung, fehlte verletzungsbedingt. Aber der ist auch schon 27 seit dem Jänner und hätte wohl wenig verändert daran, dass der erste WM-Auftritt der Uruguayer auf jener Bühne, auf der sie 1950 ihren zweiten Titel geholt haben, zu einer beinahe peinlichen Sentimentalität geworden ist. Ein Trauerspiel, bei dem das Resultat - 1:3 - nur noch Nebensache war.

Es war ein Abgesang. "Das ist ein hartes Resultat, das wir so nicht erwartet haben", gestand Uruguays Trainer Oscar Tabarez. Und alle reden sie nun über die Rückkunft des gefehlt Habenden, Luis Suárez.

Wurst des Verbleibs

"Er ist ein exzellenter Spieler und sehr wichtig für uns", so der nicht nur schmähstad gewordene Forlán, "hoffentlich wird er zum nächsten Spiel rechtzeitig fit." Da, am Donnerstag gegen das junge England, geht es nämlich schon um die Wurst des Turnierverbleibs des Halbfinalisten von 2010.

Das wird schwer genug. Denn Verteidiger Maxi Pereira muss nach einem - den längst verwichen geglaubten Uru-Ruch wieder aufleben lassenden - Frustfoul am überragenden Campbell sowieso pausieren. Suárez ist weiter fraglich, hat aber immerhin eine Art gespielten Optimismus parat. Unbeeindruckt davon, dass das einzige Tor der Seinen Edinson Cavani (27) aus einem Elfmeter erzielt hatte, hielt er unerschrocken seinen gestreckten Daumen in jede daherkommende Fernsehkamera. Kritiker nennen den müden Fußball Uruguays, der vor vier Jahren so erfrischend noch aufgetrumpft hat mit Forlán an der Spitze, "pomadig". Und da ist durchaus was dran. Eine 1:0-Führung so aus der Hand zu geben ist tatsächlich einiger harscher Beschreiungen wert.

Freilich gilt es, will man Uruguays alte Männer wahrheitsgetreu umschreiben, auf die Relation zu achten. Findet man, wie die Kollegen vom deutschen Sport-Informationsdienst, die Uruguayer "pomadig", was wären dann die Spanier? Es ist der Lauf der Welt. Nicht nur Männer werden alt, auch Mannschaften - und Spielstile. Da braucht man nur die heimische Fußballgeschichte studieren. So wie hier das Scheiberln in den 1930ern bald zum öden Gescheiberl geworden war, so hat halt auch das Tiqui-Taca sein natürliches Ende. Es ist nur, wie bei jedem natürlichen Ende, sehr traurig anzuschauen. Aber auch hierfür ist eine Fußball-Weltmeisterschaft da.

Und so werden sie dann halt bald sitzen, die Iker Casillas und Diego Forláns und all die anderen, und einander von früher erzählen. Und auch das ist Fußball: dass wir dasitzen werden und lauschen mit roten Ohren. (sid, wei, DER STANDARD, 16.06.2014)