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Faszinosum mit umstrittener Wirkung: der Mond.

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München - Seit Menschengedenken ranken sich Mythen über den Einfluss des Mondes auf den Menschen. Insbesondere die Überzeugung, dass man in Vollmondnächten schlechter schläft, ist weit verbreitet. Aber gibt es tatsächlich einen wissenschaftlich nachweisbaren Zusammenhang?

Ja, sagten Forscher der Universität Basel im Vorjahr: Sie berichteten in einer Studie im Fachblatt Current Biology, durch die Neuauswertung von Daten aus früheren Schlafexperimenten einen Zusammenhang zwischen dem lunaren Zyklus und dem Schlaf belegen zu können. Probanden schliefen demnach in Vollmondnächten schlechter ein und insgesamt kürzer. Auch frühere Studien kamen bereits zu ähnlichen Ergebnissen.

Doch dem widersprechen nun Wissenschafter vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie (MPI) in München: Sie werteten umfangreiche, bereits vorhandene Datensätze über den Schlaf zahlreicher Probanden aus und konnten keinen Zusammenhang zwischen dem menschlichen Schlaf und den Mondphasen finden. Während der Recherchen stießen sie auf weitere Studienergebnisse, die ebenfalls keinen Einfluss des Mondes feststellen konnten. Diese seien jedoch häufig nicht veröffentlicht worden. Dadurch waren Studien mit positivem Befund bislang in der wissenschaftlichen Literatur überrepräsentiert.

Problematische Methodik

Schon vor der Baseler Studie von 2013 beschäftigten sich Forscher in Nachanalysen von zuvor zu einem anderen Zweck erhobenen Daten mit dem Einfluss des Mondes auf den menschlichen Schlaf. Allerdings wurden die Auswirkungen auf den Schlaf selten mit objektiven Methoden wie etwa dem Schlaf-EEG untersucht, und die Ergebnisse waren sehr unterschiedlich. Gemein war ihnen jedoch, dass sie prinzipiell einen Einfluss von Mondphasen auf den Schlaf nachwiesen.

Um Zufallsbefunde zu vermeiden, wie sie in Studien mit geringer Teilnehmerzahl möglich sind, untersuchten die MPI-Forscher nun Schlafdaten von 1.265 Probanden aus 2.097 Nächten. "Nachdem wir diese große Anzahl von Daten ausgewertet hatten, konnten wir frühere Ergebnisse aus anderen Studien nicht bestätigen“, berichtet Martin Dresler, Neurowissenschafter am MPI für Psychiatrie in München und Donders Institute for Brain, Cognition and Behaviour in Nijmegen, Niederlande. "Wir konnten keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen menschlichem Schlaf und den Mondphasen aufzeigen."

Positiver Überhang

Im Rahmen der Untersuchungen fanden die Wissenschafter weitere unveröffentlichte Analysen von über 20.000 Schlafnächten, die ebenfalls keinen Einfluss des Mondes belegten. Dass diese Ergebnisse jedoch nie veröffentlicht worden seien, habe wohl zu einer verzerrten Veröffentlichungspraxis geführt. Die Tendenz, nur positive oder signifikante Ergebnisse zu veröffentlichen, nicht aber negative oder unschlüssige, ist ein viel diskutiertes Problem in der Wissenschaft, Medizin und Pharmazie - auch bekannt als "Schubladenproblem".

Bisher wurde der Einfluss des Mondes auf den menschlichen Schlaf nur durch die Nachanalyse von bereits früher zu einem anderen Zweck erhobenen Datensätzen untersucht. "Um die ganz offensichtlichen Einschränkungen von Nachanalysen zu umgehen, müssten gut überlegte und genau auf den Zweck abgestimmte Experimentreihen mit einer großen Anzahl von Probanden durchgeführt werden“, so Dresler. (red, derStandard.at, 16.6.2014)