Vor ihrem Einsatz gegen Isis nahmen zahlreiche Freiwillige bei Iraks Armee am Montag an einer Parade in Bagdad tei

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Wie schnell sich das Blatt manchmal wenden kann, sieht man an Lindsey Graham. Noch vor neun Monaten versuchte der Senator aus South Carolina, den Kongress auf eine harte Linie gegen den Iran einzuschwören. Da arbeitete er an einer Resolution, die dem US-Präsidenten präventiv grünes Licht für einen Militärschlag geben sollte für den Fall, dass Teheran Atombomben entwickelt. Jetzt ist es ausgerechnet Graham, neben John McCain der führende außenpolitische Hardliner im Lager der Republikaner, der einer Kooperation mit dem Iran das Wort redet.

Ungewohnt pragmatisch denkt der Südstaatler über ein Zweckbündnis nach, um den Vormarsch der Islamistentruppe Isis im Irak zu stoppen, über einen Pakt, den er mit dem der Alliierten im Zweiten Weltkrieg vergleicht. "Warum haben wir mit Stalin zusammengearbeitet? Weil er nicht so schlimm war wie Hitler."

Zu Pakt gezwungen

Die Offensive der Miliz zwingt Amerikaner und Iraner - seit der Islamischen Revolution von 1979 in Feindschaft verbunden - zu einem Pakt, auch wenn dies nicht bedeutet, dass beider Interessen identisch sind. Die Schiiten in Teheran sehen im irakischen Premier Nuri al-Maliki einen Glaubensgenossen, der ihnen, trotz mancher Widersprüche, einen Einfluss in dem Land garantiert, wie sie ihn nie besaßen. Das Ringen mit den Isis-Rebellen ordnen sie ein in einen regionalen Machtkampf mit den Sunniten.

Die Regierung Barack Obamas dagegen ist nicht bereit, Maliki ohne Vorbehalte den Rücken zu stärken. Aus ihrer Sicht ist er eher zur Belastung geworden, ein in den Kategorien von Nullsummenspielen denkender Politiker, der die irakischen Sunniten an den Rand drängte, statt die Macht mit ihnen zu teilen und so den Zerfall des Landes zu verhindern. Nur: Im Vergleich zu einem Bagdad unter der schwarzen Flagge der Isis ist er noch immer das kleinere Übel.

Dialog noch diese Woche beginnen

Nach Informationen des Wall Street Journal will das Weiße Haus den Irak-Dialog mit iranischen Emissären noch diese Woche beginnen, um die Antwort auf die Isis-Offensive besser koordinieren zu können. Noch ist offen, welche diplomatischen Kanäle Washington dafür benutzt.

Ein Forum, das sich anbietet, ist die neue, am Montag in Wien begonnene Verhandlungsrunde über das Atomprogramm Teherans. Allerdings möchte Außenminister John Kerry tunlichst den Eindruck vermeiden, als würde der Westen die Iraner für eine Zusammenarbeit in Sachen Irak mit Zugeständnissen in den Nukleargesprächen belohnen. Bis zur Frist am 20. Juli soll sich erweisen, ob ein belastbarer Deal möglich ist, eine Vereinbarung, die auch Israel die Angst vor den atomaren Ambitionen Teherans nimmt. Kerry weiß um die Dramatik, die derart komplizierten Gesprächen auf der Zielgeraden oft innewohnt. Er will nicht blauäugig-optimistisch klingen, weshalb er betont, dass die Irak- und die Atomgespräche mit den Iranern "weder verknüpft noch vermischt" werden dürften.

Doch es ist nicht das erste Mal, dass beide Länder die Annäherung suchen, wenn regionale Interessen sich decken. 2001, nach den Terroranschlägen des 11. September, setzte George W. Bush auf die stillschweigende Unterstützung der Iraner, mit denen ihn die Absicht verband, die (sunnitischen) Taliban von der Macht in Kabul zu vertreiben. Zu den Diplomaten, die damals die Drähte knüpften, zählte Mohammad Javad Zarif. Heute, als iranischer Außenminister, ist Zarif Chefunterhändler der Atomgespräche. Gut möglich, dass über ihn wichtige Absprachen laufen.

Denkbar sind aber auch Konsultationen in Bagdad, falls die im Geheimen nicht schon stattgefunden haben. Auch dafür gibt es einen Präzedenzfall. Im Mai 2007 - sunnitische wie schiitische Milizen hatten einen zähen Guerillakrieg gegen die GIs geführt - waren es die Botschafter der USA und Irans am Tigris, die berieten, wie sich die Lage entspannen ließ. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 17.6.2014)