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Ein mächtiger, unbändiger eiserner Bulle - von den steirischen Künstlern Clemens Neugebauer und Martin Kölldorfer entworfen - wacht über dem Ringgelände.

Foto: APA/ Fohringer

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Dietrich Mateschitz ist ein großer Steirer. Keine Frage. Wer würde das bei dessen Milliardenvermögen - laut Forbes runde 6,8 Milliarden Euro - auch leugnen wollen? Aber für diese eine, kleine Geste hat es denn doch nicht gereicht. Wie generös wäre es gewesen, hätte er den Red-Bull-Ring als das belassen, was er von jeher im kollektiven steirischen Gedächtnis war: der Österreich-Ring, schlicht Ö-Ring.

Mateschitz ist gelernter Marketingmann. Wenn sein Unternehmen Red Bull die Chose schon zahlt, dann muss das Ding eben auch Red-Bull-Ring heißen. Aber auch daran wird sich die Formel-1-Fangemeinde gewöhnen. Hauptsache, so ist man sich in der Region ziemlich einig, die Boliden kurven wieder durch die liebliche alpine Naturkulisse im Aichfeld und bringen Leben in die dahinsiechende Industrieregion.

Dass hier im steirischen Oberland am Sonntag die Königsklasse des Motorsports wieder zu Besuch weilt, ist sozusagen die gelungene Schlusspointe der bisweilen possenhaften Historie der Wiederbelebung dieses Ringes.

Nachdem er 2003 aus dem Formel-1-Kalender gestrichen worden war, hatte Mateschitz, der im angrenzenden Mürztal zu Hause war, das Ringgelände sukzessive aufgekauft. Es sollte dort um angebliche 750 Millionen Euro ein Tempel des Motorsports entstehen. Nach schlampiger bürokratischer Vorbereitung sagte der Umweltsenat das Projekt ab. Mateschitz, der Politikerzusagen vertraute ("Des mochma schon.") zog sich angespeist zurück. Man hatte aber schon mit Vorarbeiten begonnen und Teile der Strecke abgerissen, womit automatisch alle alten Genehmigungen erloschen, ein schwerer Fehler, der bis heute nachwirkt.

Genehmigungen wackeln

Mateschitz ließ sich zwar erweichen, noch einmal einzusteigen und ließ ein abgespecktes Projekt entwerfen. Der neue Ring musste durch das ganze Programm: Umweltverträglichkeitsprüfverfahren, Betriebsstättengenehmigung etc. Red Bull erhielt zwar die Genehmigungen, diese sind aber nach wie vor wackelig. Drei Verfahren sind noch beim Bundesverwaltungsgericht und Verfassungsgerichtshof im Laufen, weil sich Anrainer in ihren Rechten beschnitten fühlen. Nicht auszuschließen, dass es für das Rennen 2015 eng werden könnte.

Aber daran will in diesen Tagen hier heroben niemand denken. Man ist dem reichsten Mann Österreich einfach nur dankbar. Seit Red Bull investiert, haben sich die Arbeitsmarktdaten aufgehellt. Mateschitz versucht auch, mit Aktionen wie Gratisfarbe für Hausrenovierungen oder Förderungen für Jungunternehmer und Wirte die Welt außerhalb des Red-Bull-Imperiums zu attraktivieren - auch aus Eigennutz. Seine Top-hotellerie, die er aufbauen ließ - das Hotel Hofwirt in Seckau, das Hotel G'Schlössl Murau samt Reitstall, wohin Mateschitz im Hubschrauber einfliegt und sich für ein paar Stunden zurückzieht, oder der Schönberghof direkt am Ring - sie alle brauchen ein gefälliges Ambiente.

Dieser touristische Anstoß neben dem Ring, der ganzjährig bespielt wird, sei die "ganz große Chance für uns", sagt der Spielberger Bürgermeister Manfred Lenger - und blendet kurz aus, dass es mit Red Bull Wickel wegen der Gemeindeabgabe gibt. Mateschitz habe jedenfalls den Grundstein für eine touristische Infrastruktur geschaffen, das Formel-1-Rennen sei da das "Tüpferl auf dem i". Selbst alte Kritiker wie der Grünen-Landeschef Lambert Schönleitner loben die neue Qualität des Tourismus als "großes Potenzial": "Da ist etwas im Entstehen, da bewegt sich was. Der Motorsport hat, isoliert betrachtet, sicher keine Zukunft, aber im Mix mit hochqualitativem Tourismus, da kann sich was entwickeln. Endlich, denn die Landespolitik hat es in all den Jahren nicht geschafft, hier in der alten Industrieregion nach der Verstaatlichtenkrise neue Konzepte zu entwickeln."

Devote Grundhaltung

Aber nicht allen gefällt das bisweilen zügellose Treiben des Bullen. Von Allmacht ist die Rede, einem hermetisch abgeschlossenen "Red Bullistan". Etliche misstrauen der Zahlenakrobatik des Landes in Sachen Umwegrentabilität. Auch die devote, gebückte Grundhaltung der Politik dem großen Steirer gegenüber nagt am Stolz so mancher Obersteirer. Das Land ordne den lokalen Stellen an, dass Mateschitz auch behördlich auf Rosen gebettet werden soll, heißt es. "Es ist ja so: Wenn der Mateschitz hustet, kommen zwanzig Leute mit Taschentüchern gelaufen", formuliert es ein Spielberger. Allzu schleimige Ehrerbietungen gehen aber selbst Mateschitz schon auf die Nerven. "Er mag das gar nicht", heißt es in seiner Umgebung.

Sollte die Transformation in ein Tourismusgebiet letztlich doch nicht gelingen, hat Spielberg noch einen zweiten Trumpf. Es ist verbrieft, dass Regisseur und Produzent Steven Spielberg - der bereits davon weiß - hier seine familiären Wurzeln hat. "Wenn es mit der Formel 1 nichts mehr wird, werden wir halt eine weltberühmte Filmstadt", sagt der Bürgermeister. (Walter Müller, DER STANDARD, 19.6.2014)