Der gemeine Holzbock infiltriert Borrelien in den menschlichen Körper.

Foto: obs/Baxter

Zecken werden erst unheimlich, wenn sie einen erwischt haben. Denn plötzlich stellt sich die Frage: Hat der Parasit FSME-Viren oder Borreliosebakterien in Umlauf gebracht und werde ich krank werden?

Die Keime stecken in fünf bis 35 Prozent der Zecken. "Aber auch wenn Borrelien aus der Zecke in den Körper gelangen, erkranken nur sehr wenige", beruhigt Norbert Satz, Borrelioseexperte aus Zürich. Meist wehrt der Körper die Erreger ab, und es kommt zu keinen Symptomen.

Borreliose kann die Haut, danach das Nervensystem, Gelenke und Herz befallen. Meist äußert sie sich zu Beginn durch einen flächenhaften oder ringförmigen Ausschlag an der Zeckeneinstichstelle, der sich vergrößert - daher der Name Wanderröte, Erythema migrans.

Bakterien wandern durch den Körper

Die Hautreaktion sieht individuell jedoch unterschiedlich aus, manchmal ist sie auch so blass, dass sie übersehen wird. Dann kann sich die Krankheit erst Wochen nach dem Zeckenstich durch Symptome im Nervensystem bemerkbar machen, etwa mit Gesichtslähmung, Hirnhautentzündung oder Nervenwurzelentzündungen.

Monate nach dem Zeckenstich kann sich Borreliose schließlich auch durch Gelenkentzündungen äußern.

Bei kaum einer anderen Krankheit wird so heftig über die richtige Diagnose und Therapie diskutiert wie bei Borreliose. Manche Symptome ähneln jenen anderer Krankheiten nämlich so sehr, dass manche Betroffenen überzeugt sind, nur eine Borreliose könne die ständigen Beschwerden erklären - dabei haben sie eine ganz andere Krankheit.

"Das Hauptproblem ist, dass sich viele bei der Diagnose auf die Laborwerte verlassen", sagt Satz. "Ist einer der Tests abnormal, verpassen sie Patienten schnell die Diagnose Borreliose."

Zweifelhafte Hilfe

Verzweifelte, die glauben an Borreliose erkrankt zu sein, stoßen bei der Suche nach Expertise im Internet rasch auf Institute wie das Borreliose-Centrum Augsburg. Das "Martyrium" (also die Borreliose) wollen die dortigen Ärzte mit Antibiotika-Dauertherapie, Stärkung des Immunsystems, Ausleitung von Giftstoffen und Gesundheitscoaching bekämpfen.

In "einzigartiger Weise" ermögliche das Zentrum Diagnostik, Labor und Therapie unter einem Dach, heißt es auf der Homepage. Man wisse, wie oft Borreliose verkannt werde und chronisch Erkrankte als psychisch labil oder schwer depressiv eingestuft würden.

Schwierige Diagnose

Allein: Diagnose und Therapie sind dort zum größten Teil selbst zu bezahlen, die "Labordiagnostik Stadium I" kostet mehr als 300 Euro.

"Die meisten der dort und in anderen zweifelhaften Kliniken angebotenen Labortests sind überflüssig und die Therapie übertrieben", sagt Norbert Satz. "Die Kollegen nutzen in medizinisch nicht nachvollziehbarer und nicht gerechtfertigter Weise die Not der Patienten aus."

Zu Norbert Satz kommen jeden Tag Patienten in die Praxis, bei denen eine Borreliose diagnostiziert wurde, denen Antibiotika aber nicht halfen. "Bei 95 Prozent von ihnen ist aber die Diagnose falsch", sagt der Internist. Sie haben Krankheiten mit ähnlichen Symptomen wie Rheuma, multiple Sklerose, chronische Erschöpfung oder Migräne. Dabei sei die Diagnose meist einfach, sagt er.

"Oft kann ich schon durch das Gespräch eine Borreliose so gut wie ausschließen. Erzählt ein Patient, ihm täten alle Gelenke weh, ist eine Borreliose unwahrscheinlich. Klagt er dagegen über Knieschmerzen und kann er sich zusätzlich noch an einen Zeckenstich erinnern, spricht viel dafür."

Labortest und Deutung

Bei Verdacht auf Borreliose bestimmen die Ärzte IgM- und IgG-Antikörper. "Laborwerte allein sagen noch nichts aus, erst in Kombination mit den Beschwerden." Lassen sich IgG-Antikörper nachweisen, bedeutet dies, dass der Körper Kontakt mit Borrelien hatte.

Das kann aber auch der Fall sein, wenn man eine Infektion früher einmal erfolgreich und unbemerkt abgewehrt hat. Dann werden die aktuellen Beschwerden vermutlich durch etwas anderes verursacht.

Nur selten suchen Ärzte mit Gentests (PCR) nach den Keimen, etwa wenn sie den Verdacht haben, eine Gelenksentzündung könnte durch Borrelien verursacht sein. "Sogenannte LTT- oder Lymphozytentests kann man sich sparen, weil sie nicht valide genug sind", sagt Satz.

Therapie von Borreliose

Therapiert wird mit Antibiotika. "Eine Dauertherapie ist nicht erforderlich", versichert Satz.

Bei der Wanderröte reichen 14 Tage, bei den Spätformen Infusionen über zwei bis vier Wochen. In den meisten Fällen heilt Borreliose folgenlos aus.

Nur wenige leiden dauerhaft unter Beschwerden wie Muskel- und Gelenkschmerzen, oder Abgeschlagenheit. Dieses sogenannte Post-Lyme-Syndrom wird mit Medikamenten behandelt, die das Immunsystem unterdrücken, oder mit nichtsteroidalen Antiphlogistika. (Felicitas Witte, DER STANDARD, 17.6.2014)