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André Bamberski bekam eine milde Strafe vor einem Gericht in Frankreich.

Foto: AP Photo/Darek Szuster

André Bamberski ist verurteilt, aber zufrieden. 32 Jahre nach dem Tod seiner Tochter Kalinka kann der weißhaarige Franzose einen Schlussstrich ziehen. Am Mittwoch wurde er von einem Strafgericht in Mulhouse wegen Entführung zu einer bedingten Haftstrafe von einem Jahr verurteilt. Er werde keine Berufung einlegen, meinte der 76-Jährige, dessen Bürozimmer bis zur Decke voller Gerichtsakten ist: "Ich habe bis über die Ohren genug von Justizangelegenheiten."

Bamberski wurde für schuldig befunden, zwei Handlanger angeworben zu haben, um den deutschen Arzt Dieter Krombach (79) von Lindau am Bodensee nach Frankreich zu entführen und dort der Justiz zu übergeben. Der Franzose behauptete, er habe den Deal nicht selbst organisiert, doch das nahm ihm das Gericht nicht ab. Trotzdem fiel das Urteil relativ mild aus – zweifellos wegen der ganzen Vorgeschichte.

Tochter nach Vergewaltigung erstickt

Bamberskis 14-jährige Tochter Kalinka war 1982 im Haus Krombachs vergewaltigt worden, bevor sie unter dem Einfluss von Beruhigungsspritzen an ihrem Erbrochenen erstickte. Der deutsche Stiefvater des Mädchens – seine Mutter hatte Bamberski verlassen und war zu Krombach gezogen - war von örtlichen Gerichtsgutachtern entlastetet worden. Erst durch die französische Justiz erreichte Bamberski drei Jahre nach der Tat eine Exhumierung des Opfers. Allerdings fehlten die beweisträchtigen Geschlechtsorgane an der gut erhaltenen Leiche.

Bamberski erlitt einen Schock, ließ aber in der Folge nie mehr locker. Der Wirtschaftsprüfer begann einen Feldzug vor deutschen und französischen Gerichten, der ihn viele Jahre seines Lebens und sein ganzes Vermögen kosten sollte. Sogar an Minister in Paris und Berlin schrieb er. 1995 erwirkte er zwar in einem französischen Abwesenheitsverfahren Krombachs Verurteilung; Deutschland erachtete die Beweislage aber für ungenügend und lieferte Krombach nicht aus. Zwei Jahre später sollte der Arzt auch in Deutschland wegen Vergewaltigung einer anderen 16-Jährigen zu zwei Jahren Haft verurteilt werden. Ausgeliefert wurde er trotzdem nicht.

Arzt niedergeschlagen

In seiner Verzweiflung schritt Bamberski zur Tat. Er zahlte zwei Männern 20.000 Euro "Spesen", wie er vor Gericht einräumte. Sie warteten dem deutschen Arzt vor dessen Villa in Lindau ab, schlugen ihn nieder, packten ihn in einen VW und fuhren ihn über die Grenze ins Elsass. Mitten in der Nacht erhielt die Polizeiwache einen Anruf, in der Nähe liege ein Justizflüchtling. Gefesselt, mit einer Kopfblutung und einem zugeschwollenen Auge wurde Krombach gefunden, ins Krankenhaus gebracht - und dann inhaftiert.

Noch einmal wurde ihm in Paris-Créteil der Prozess gemacht. 2012 zu 15 Jahren Haft verurteilt, sitzt Krombach nun in einem französischen Gefängnis seine Strafe ab. Noch hat er eine Beschwerde vor den europäischen Gerichten anhängig, doch dieser werden wenige Chancen eingeräumt.

Recht und Gerechtigkeit

Bamberski war am Ziel. Dass er nun selbst auf die Anklagebank kam, kümmerte ihn wenig. Der Staatsanwalt meinte in der Verhandlung, man könne Bamberskis Verhalten "verstehen", und verlangte sechs Monate bedingt. Das Gericht verdoppelte die Strafe namentlich wegen "Beihilfe zu schwerer Körperverletzung", lässt Bamberski aber in Freiheit. Der bleiche, vom Leben gezeichnete Mann zeigt kaum eigene Gefühle und meint, darum gehe es nicht. Er hatte auch nie von Rache gesprochen, nur von Recht und Gerechtigkeit. Aber das ist vielleicht auch ein Gefühl. (Stefan Brändle aus Paris, derStandard.at, 18.6.2014)