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Salzburg hat viel zu erzählen. Ein Forschungsprojekt soll dafür sorgen, dass junge Menschen den Bezug zu ihrer Stadt nicht verlieren.
Salzburg - Georg Trakl hat seine Kindheit und Jugend in Salzburg verbracht. Die ersten Veröffentlichungen des Dichters fallen in die Zeit seiner Apothekerlehre in der Linzer Straße. Sein beginnender Drogenmissbrauch wird später zu Angststörungen und Depressionen führen. Auf der Fassade der ehemaligen "Engel-Apotheke", wo er 1905 die Lehre begonnen hatte, kündet eine Tafel mit dem Gedicht "Im Dunkel" von der Lebensstation des Expressionisten. "O das grünende Kreuz. In dunklem Gespräch / Erkannten sich Mann und Weib. / An kahler Mauer / Wandelt mit seinen Gestirnen der Einsame", lautet eine Stelle daraus.
Die Geschichte des unglücklichen Poeten ist nur ein kleiner Aspekt in der reichhaltigen Geschichte der Stadt. Die meisten Besucher kommen nicht wegen Trakls erster Gedichte, sondern wegen Mozart; nicht wegen der vielen Geschichten, die man im Stadtarchiv recherchieren könnte, sondern wegen der Festung Hohensalzburg. Um das reichhaltige kulturelle Erbe der geschichts- und geschichtenträchtigen Stadt abseits der immergleichen Stereotypen einer neuen Generation von Salzburgern zu vermitteln, versucht die Stadt im Rahmen des EU-Projects CreativeCH neue Wege zu gehen.
Es sei eine Strategie, um die Jugend für ihr kulturelles Erbe zu interessieren und sie dabei gleichzeitig an neue Technologien heranzuführen, erklärt Projektleiter Guntram Geser von Salzburg Research. "Es ist nicht selbstverständlich, dass kulturelles Wissen weitergegeben wird." Die Verbindung der Jugend zu ihrer Stadtgeschichte soll nicht verlorengehen, dem Verlust des Authentischem in der Stadtumgebung entgegengewirkt werden.
Zu diesem Zweck wird an der Vernetzung von Wissenschaft, Kreativszene und kulturellen Einrichtungen gearbeitet. Junge Menschen sollen angeregt werden, sich mit der Neuaufbereitung und Neuinszenierung der Geschichte zu beschäftigen. Qualitative Befragungen von Jugendlichen am Beginn des Projekts hätten gezeigt, dass das Interesse an der Stadtgeschichte durchaus geweckt werden kann. "Hintergrund unseres Projekts ist auch die Open-Data-Bewegung, in der Städte, Länder und Ministerien Inhalte und digitale Sammlungen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen", sagt Geser. Vor allem historische Bildbestände seien interessant.
"Nannerl" heißt eines der Projektergebnisse. Die Android-App, die im Herbst fertig sein soll, wird von Studierenden der FH Salzburg und der FH Hagenberg umgesetzt. So wie die historische Nannerl im Schatten ihres berühmten Bruders Wolfgang Amadeus Mozart stand, soll sich die App auf spielerische Weise um die Orte in Salzburg kümmern, die im Schatten der großen Sehenswürdigkeiten stehen. Rätsel, Suchbilder und immer neue Routen durch die Stadt sollen zu den unbekannten Geschichten der Stadt führen.
Auf einer zentralen Webplattform werden alle Projekte zusammengeführt. Historische Stadtansichten werden gegenwertigen gegenübergestellt, eine interaktive Landkarte soll eine Verbindung zu den Details der Geschichte herstellen. Eine ganze Reihe von Orten fügen sich etwa auch zu einem Trakl-Rundgang.
Salzburg ist eines von vier Showcase-Projekten innerhalb von CreativeCH. Salzburg Research kooperiert dabei mit einer ganzen Reihe von europäischen Partnern. In der Toskana beschäftigt sich ein Vorzeigeprojekt mit wenig bekannten archäologischen Fundstellen der Etrusker, in Katalonien fokussieren die Forscher mit der industriellen Vergangenheit der Region, und in Banat in Rumänien hat man sich die Aufgabe gestellt, das reichhaltige multikulturelle Erbe zu belegen und zu systematisieren. (pum, DER STANDARD, 18.6.2014)