Online-Versandhändler Amazon hat am Mittwoch ein eigenes Smartphone präsentiert. Schon seit Monaten, wenn nicht Jahren, war spekuliert worden, dass der IT-Konzern an einem eigenen Mobiltelefon arbeitet. Nach vier Jahren Entwicklungszeit hat Amazon den Schleier jetzt gelüftet - und gibt sich ambitioniert: "Wir wollen Apple vom Thron stoßen", so Amazon-Gründer und CEO Jeff Bezos während der Vorstellung des Smartphones, das laut Vorab-Berichten über ein modifiziertes Android-Betriebssystem verfügen soll.
Gratis-Speicherplatz für Fotos
Gelingen soll das mit dem "Fire Phone": Es ist 4,7 Zoll groß und spielt bezüglich Spezifikationen in einer Liga mit dem HTC One M8 oder dem Galaxy S5. Das Fire Phone verfügt über einen Quad Core 2.2 GHz-Prozessor, 2 GB RAM sowie eine 13 Megapixel-Kamera, die laut Mashable "wunderbare Fotos" schießt. Der Clou: Fotos sollen kostenfrei in Amazons beliebtem Cloud-Service gespeichert werden.
"Fire" hat Tradition
Mit der Namensgebung setzt Amazon auf Kontinuität: Schon eine Version des Kindle-Tablets und die hauseigene TV-Box wurden "Fire" getauft. Das Smartphone soll sich auch anderweitig gut in die Amazon-Umgebung integrieren und etwa mit Instant-Video-Streaming von Prime bestechen. "Dieses Smartphone ist dazu gemacht, Videos zu sehen", so Bezos in der Präsentation.
Nie mehr Kopfhörer entwirren
Immer wieder fällt während der Vorstellung der Name des großen Smartphone-Konkurrenten Apple: Genau wie der Rivale wisse Amazon, dass Kundenwünsche und Komfort an erster Stelle stünden, so Bezos. Deshalb achte man auf Details: Beispielsweise sollen sich die mit dem Smartphone mitgelieferten Kopfhörer dank zweier Magneten niemals in der Hosentasche verknoten.
Scannen von Fernsehsendungen möglich
Maximalen Komfort und eine Verfestigung der Marktdominanz als Versandhändler soll das Feature "FireFly" bringen: Ähnlich wie bei Amazons Dash-App können mit dem Smartphone Barcodes gescannt und anschließend Produkte direkt bei Amazon bestellt werden. Dann spielt Bezos den Zauberer: Er scannt einen Fernseher, auf dem gerade Game of Thrones läuft - und das Smartphone erkennt die Fernsehsendung und führt direkt zu DVD-Boxen auf Amazon.
Über hundert Millionen Artikel sollen von FireFly binnen einer Sekunde identifiziert werden können, so Bezos. Für die Scan-Funktion ist sogar ein eigener Button auf der rechten Seite des Fire Phones vorgesehen, ein Kit für Entwickler wird kostenfrei veröffentlicht werden.
3-D Unterstützung
Dann geht es um die 3D-Effekte des neuen Smartphones, über die bereits viel spekuliert wurde: Amazon nennt das Feature "Dynamic Perspective". "Man fühlt sich, als ob man in die Bilder hineinsieht", so Business Insider in einem Live-Blog. Bezos demonstriert die Fähigkeit mit Ballons: Durch Wischen werden einzelne Ballons hervorgehoben und wirken, als ob sie dreidimensional wären. Die "Dynamic Perspektive" soll auch vom eigenen Kartenservice unterstützt werden.
"Nie mehr mit dem Finger scrollen"
In der Handhabung setzt Amazon bei dem Fire ganz auf das Neigen des Geräts: Durch das Schiefhalten kann gescrollt, gezoomt oder ein anderes Produkt auf Amazon angesehen werden. Das fühle sich "natürlich" an, so Bezos, man müsse "nie mehr seine Finger zum Scrollen benutzen." Beim Lesen könne durch Neigen des Fire Phones ein konstanter Textfluss erzeugt werden, die Geschwindigkeit lasse sich vorab festlegen, erklärt der Amazon-CEO weiter. Außerdem könne Content "gepinned" werden, also z.B. ein bestimmter Artikel, dessen Lesen man pausiert.
Kopf des Nutzers wird "getracked"
Weiter gehts mit Spielen: Auch hier setzt Amazon auf Neigen des Geräts und zumindest die Illusion einer 3D-Perspektive. "Wir haben gelernt, uns am Kunden zu orientieren", sagt Bezos - und meint das durchaus wortwörtlich, wird über die vier Frontkameras des Smartphones doch erkannt, wo sich der Kopf des Nutzers befindet. Dadurch adjustiert das Fire Phone automatisch in eine angenehme Perspektive. Durch Infrarot soll das auch bei absoluter Dunkelheit funktionieren.
199 Dollar bei zwei Jahren Bindung
Das Smartphone soll laut Nachrichtenagentur Reuters ab 25. Juli exklusiv beim US-Mobilfunker AT&T erhältlich sein und bei zweijähriger Bindung 199,99 Dollar kosten. Vertragsfrei ist das Smartphone für 699 Dollar erhältlich. Informationen zu einem Europa-Release sind noch nicht bekannt. Die Entscheidung, das Smartphone exklusiv bei einem Telekom-Unternehmen anzubieten, dürfte noch für spannende Analysen sorgen - würde es doch logisch scheinen, wenn Amazon eine maximale Reichweite anstrebt.
Pünktlich zum Abschluss der Präsentation beginnt der Verkauf des Smartphones auf Amazon, wo noch einmal alle Informationen zum Fire zusammengefasst werden. Während der Vorstellung des Fire Phones ist die Amazon-Aktie um 2,5 gestiegen. (fsc, derStandard.at, 18.6.2014)
Update: Laut Informationen der Financial Times verhandelt Amazon in Großbritannien mit O2 und Vodafone über einen Vertrieb des Fire Phone.