Wien - Um die Kriterien zur "Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft im besonderen Interesse der Republik" - umgangssprachlich Promi-Einbürgerungen genannt - rankte sich lange ein Geheimnis: Die diesbezügliche Liste, die Ende Februar im Ministerrat beschlossen worden ist und auf deren Basis seither mindestens 59 Einbürgerungen stattfanden, unterliege dem Amtsgeheimnis, hieß es im Innenministerium und im Bundeskanzleramt - bis sie dem STANDARD, wie berichtet, zugespielt wurde.
Davor waren interessierten Medienvertretern jeweils nur Auszüge aus dem Papier verraten worden: eine selektive Informationspolitik, die keine Grundlage habe, meint der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Der Kriterienkatalog stelle lediglich eine Handlungsrichtlinie für die Regierung dar: "Warum so etwas unter Amtsverschwiegenheit stehen soll, ist mir völlig unklar", sagt Funk: Aus dem Bundesverfassungsgesetz ergebe sich das nicht.
Amtsverschwiegenheit
Konkret verpflichtet dessen Artikel 20 alle befugten Organe zu Amtsverschwiegenheit bei "Tatsachen", die ihnen "aus ihrer amtlichen Tätigkeit" bekannt wurden und "deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist".
Unter "Tatsachen" seien die Promi-Einbürgerungskriterien nicht zu subsumieren, betont Funk. Als wirklichen Grund des Verschweigens ortet er "die typische österreichische Geheimhaltungstendenz".
Anfrage an Fekter
Um die Kriterien-Vertraulichkeit zu rechtfertigen, hatte 2010 bereits die damalige Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) die Verfassung bemüht. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der grünen Menschenrechtssprecherin Alev Korun verwies sie "auf Art. 19 B-VG (sic!). Eine derartige Arbeitsunterlage eignet sich nicht für eine Veröffentlichung".
"Die Argumentation der Regierung hat sich seither überhaupt nicht verändert", kommentiert dies Korun. Einziger Unterschied sei der heurige Ministerratsbeschluss. Die kurz davor vom Ex-Integrationsstaatssekretär und jetzigen Außenminister, Sebastian Kurz (ÖVP), gemachten Versprechungen, in Sachen Promi-Einbürgerungen werde künftig Transparenz herrschen, bezeichnet die Grüne als "Luftschloss": Das Subsumieren der Kriterien unter die Amtsverschwiegenheit sei "angesichts der derzeitigen Bestrebungen, das Amtsgeheimnis abzuschaffen, besonders ärgerlich".
Recht der Öffentlichkeit
Die Öffentlichkeit, so Korun, habe ein "Recht darauf, zu wissen, wie Staatsbürgerschaften im Interesse der Republik verliehen werden". Diese Ansicht teilt auch Gerd Valchars, Politikwissenschafter und Staatsbürgerschaftsexperte. Er hatte vergebens nach einem Kriterienlisten-Verordnungstext gesucht und den Umstand ihrer Geheimhaltung in Erfahrung gebracht.
Am allerbesten, so Valchars, wäre, "diese Möglichkeit der Einbürgerung überhaupt zu streichen". Und zwar nicht nur, weil die nunmehr bekannte Kriterienliste „unpräzise“ sei und "viele Fragen offenlässt", sondern ganz prinzipiell: "Die Einbürgerungsregeln sollten für alle gleich sein, egal ob es sich um Prominente oder Normalbürger handelt", sagt Valchars. (Irene Brickner, DER STANDARD, 21.6.2014)