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Das Dorf Lazarat unter Rauchschwaden. Es wird nicht nur mit Gewehren geschossen, auch Granaten kommen zum Einsatz.

Foto: Reuters/Arben Celi

Tirana/Sarajevo - "Die Polizei löscht Lazarat von der Drogenkarte Europas." Premier Edi Rama wählte eindrückliche Worte. Ihm geht es darum, eine Woche bevor die EU-Mitgliedsstaaten Albanien den Kandidatenstatus gewähren, zu zeigen, dass es der Regierung ernst ist mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Hunderte Polizisten versuchen seit Tagen, das Marihuana-Dorf Lazarat im Süden von Albanien nach zehn Jahren wieder unter staatliche Kontrolle zu bekommen. Es wird noch immer geschossen. Einige Bewohner des Dorfs haben sich verschanzt und attackieren die Beamten mit Maschinengewehren, Granaten und Panzerfäusten. Medienvertreter wurden von Maskierten angegriffen.

Bereit seit 2004, als in Lazarat die Polizeistation niedergebrannt wurde, gilt der Ort als rechtsfreier Raum. Cannabis wird hier schon seit den 1990er-Jahren angebaut. 2013 veröffentlichte die italienische Finanzpolizei Luftaufnahmen, die etwa 300 Hektar an Anbauflächen zeigten. Die Italiener schätzten, dass jährlich in Lazarat 1000 Tonnen Marihuana produziert werden könnten.

Einsatz mit Helikoptern

Nun soll die Polizei bereits 80.000 Pflanzen vernichtet und über zwölf Tonnen Marihuana beschlagnahmt haben. Es wurden sogar Helikopter eingesetzt, weil die heranrückenden Polizeikräfte beschossen wurden. Drei Personen wurden verletzt und 13 Personen verhaftet. Unter ihnen: Razip Rustem Mahmutaj, der als einer der Köpfe des Drogenschmuggels in der Region gilt. In Mahmutajs Haus fand man Medien zufolge ein Drogenlabor.

Mahmutaj war bereits wegen einer Attacke auf die Polizei zu 22 Jahren Haft verurteilt worden, doch unter der vorigen, von der Demokratischen Partei geführten Regierung erhielt er von Präsident Alfred Moisiu bereits nach zwei Jahren eine Amnestie. Interessanterweise verurteilte nun auch Ex-Premier Sali Berisha die Polizeiaktion in Lazarat und nannte sie "Terror gegen die Zivilbevölkerung". Tatsächlich ist Lazarat eine Hochburg der Demokraten.

Ehemalige Leprakolonie

Der Schweizer Albanien-Experte Christoph Baumann erklärt die Ursprünge der heutigen Situation in Lazarat folgendermaßen: Das Dorf war zunächst eine Leprakolonie der nahe gelegenen Stadt Gjirokastra und später eine Siedlung, wohin in kommunistischer Zeit "Landesverräter" deportiert wurden. Heute sei es ein Gangsterparadies. "Lazarat ist eine Bergsiedlung mit antikommunistischer Bevölkerung und zugleich Slum, Mafiahochburg und finanzstarkes Wirtschaftszentrum", so Baumann zum Standard. Seit Jahren entziehe es sich staatlicher Kontrolle.

Es sei zu erwarten gewesen, dass die Leute, die in der Region nicht akzeptiert wurden und kaum andere wirtschaftliche Chancen haben, Einkommen aus dem Cannabisanbau generieren würden, so Baumann.

Namensliste veröffentlicht

Das Innenministerium hat nun eine Liste mit 27 Namen veröffentlicht, die die Polizei in Lazarat angegriffen haben sollen. Im Einsatz ist auch die Sonderpolizei Renea, die die Leute entwaffnen soll.

Bereits vor ein paar Wochen hatten Berichte von der Landung von Kleinflugzeugen für Drogentransporte nach Italien für einen Skandal gesorgt. Premier Rama hatte die Angelegenheit zunächst als "Märchen mit Mücken auf dem Divjaka-Strand" bezeichnet. Doch dann hatte sich herausgestellt, dass die Drogenkuriere eine offizielle Landegenehmigung hatten, und es stellte sich die Frage, inwieweit auch Behörden von dem Drogenschmuggel gewusst haben. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 21.6.2014)