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Prorussische Truppen in Kriegsfahrzeugen auf einer Straße Richtung Donezk. Moskau bestreitet, für Nachschub zu sorgen.

Foto: AP

Kiew/Moskau - Schon im Wahlkampf hatte er davon gesprochen. Nun, zwei Wochen nach seiner Inauguration, präsentierte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko seinen Friedensplan für die Ukraine. 15 Punkte enthält dieser (siehe Infobox), ohne stark ins Detail zu gehen. Poroschenko rief auch eine einseitige, einwöchige Waffenruhe aus. Bis 27. Juni sollen die Regierungstruppen nur zur Waffe greifen, wenn sie angegriffen werden.

Prorussische Kräfte teilten mit, den Ankündigungen nicht zu glauben. Der einwöchige Waffenstillstand sei eine Aufforderung zur Kapitulation der "Volkswehr", hieß es von Kremlseite. Ein Angebot zum Dialog fehle. Außerdem sei ein russischer Kontrollpunkt an der Grenze zur Ukraine beschossen worden.

Sicherheitsgarantien

Im Friedensplan vorgesehen sind Sicherheitsgarantien für die Verhandlungsführer und ein freier Abzug nach Russland für Kämpfer. Die übrigen sollen, so sie keine schweren Verbrechen begangen haben, amnestiert werden. Zugleich fordert Poroschenko eine schnelle Entwaffnung der Aufständischen und die Freilassung ihrer Gefangenen. Als politische Versprechen sind der Schutz der russischen Sprache, vorgezogene Parlaments- und Regionalwahlen sowie eine Verfassungsreform, die den Regionen mehr Autonomie einräumt, festgeschrieben.

Erste Gespräche führte Poroschenko schon mit Vertretern des Donezkbeckens. Vertreter der vor gut zwei Monaten ausgerufenen Donezker und Lugansker "Volksrepubliken" waren nicht dabei. Dafür war der Plan auch Thema eines Telefonats mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Als ersten Punkt des Friedensplans will die ukrainische Führung aber die Festigung der Grenzen nach Russland durchsetzen. Kiew wirft dem Nachbarn vor, Nachschub an Waffen und Truppen für die Separatisten zu gewährleisten. Während Russland dies zurückweist, berichtete die Separatisten-Webseite "Russkaja Wesna" am Freitag vom Eintreffen einer "Kolonne internationaler Freiwilliger der antifaschistischen Front" in Lugansk, darunter zehn Panzer, sieben gepanzerte Truppentransporter, 20 Lkw mit Flugabwehrwaffen und zehn Kleinbusse. Ein US-Regierungssprecher zeigte sich besorgt über zunehmende Belege dafür, dass das russische Militär an der ukrainischen Grenze Stellung beziehe.

Hunderte Tote

Auf der anderen Seite meldete das ukrainische Militär die Einnahme mehrerer Ortschaften um Slawjansk und - wieder einmal - die vollständige Blockade der Stadt selbst. Daneben rapportierte ein Militärsprecher den angeblichen Tod von 300 Rebellen bei Gefechten in den grenznahen Gebieten zu Russland. Die eigenen Verluste bezifferte er hingegen auf lediglich sieben Tote und 30 Verletzte. Zudem wurde bei den Kämpfen laut ukrainischem Innenminister Arsen Awakow auch russisches Kriegsmaterial erobert.

Beide Seiten präsentieren weit voneinander abweichende Angaben. Unabhängige Beobachter befinden sich derzeit keine in der Region. Die OSZE hat das Monitoring nach der Entführung zweier Teams im Mai eingeschränkt. Die acht Beobachter sind noch nicht frei, auch wenn die OSZE inzwischen wieder Kontakt hat.

Vor den Kämpfen flüchten tausende Zivilisten - viele Richtung Russland und auf die Krim. Allein auf der Halbinsel wurden nach russischen Angaben 40 Aufnahmelager errichtet. In der Region Rostow sollen es rund 200 Flüchtlingslager sein. Deren Limit sei mit 11.000 Plätzen "praktisch ausgeschöpft". Die Gesamtzahl an Flüchtlingen liegt laut russischer Migrationsbehörde bei 400.000, laut Katastrophenschutz bei 19.000. (André Ballin, DER STANDARD, 20.6.2014)