Bonn - Selbst in bereits abgestorbenen Zellen können Bestandteile des Immunsystems weiter aktiv bleiben und dadurch Entzündungsreaktionen anheizen. Wie diese Kommunikation funktioniert, hat nun ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Wissenschaftern von des Universitätsklinikums Bonn herausgefunden. Die neuen Erkenntnisse liefern mögliche neue Ansatzpunkte für Therapien vieler weit verbreiteter Krankheiten wie Gicht, Arteriosklerose und Alzheimer-Demenz.

Wenn es in lebenden Immunzellen etwa durch die Erkennung von Mikroben oder auch Ablagerung von Harnsäurekristallen in Gelenken, Cholesterin in Blutgefäßen oder Alzheimer-Plaques im Gehirn zu Zellstress kommt, schlägt das sogenannte Inflammasom Alarm. Es handelt sich dabei um einen Proteinkomplex, der entsteht, wenn bestimmte Sensoren solche Ablagerungen wahrnehmen. Der Proteinkomplex im Inneren der Zelle aktiviert ein Enzym, das wichtige Botenstoffe stimuliert, die dann wiederum eine Entzündungsreaktion auslösen. Bei dieser Zellaktivierung sterben die betroffenen Immunzellen ab, und so sollte die Entzündungsreaktion schließlich zum Erliegen kommen. "Dieser Mechanismus schützt primär den Körper vor Infektionen und schädlichen Einflüssen", sagt Eicke Latz vom Universitätsklinikum Bonn.

Erstaunlicherweise funktioniert der Alarmruf des Inflammasoms auch noch, wenn die befallenen Zellen abgestorben sind. Zum einen konnten die Wissenschafter zeigen, dass aktivierte Inflammasome auch außerhalb der lebenden Zelle enzymatische Funktionen haben und somit weiter Botenstoffe aktivieren können. In einer Art Kettenreaktion werden die Inflammasome auch von benachbarten Zellen aufgenommen und können dort wiederum Inflammasome aktivieren. Das hat nun ein internationales Forscherteam herausgefunden.

Schnelle Entzündungsreaktion

Wenn das Inflammasom angeschaltet ist, bildet es binnen weniger Sekunden funktionelle Proteinkomplexe, die so groß wie ein Bakterium werden können. "Bei einem Alarm formt sich dieser Proteinkomplex und bewirkt die maximale Aktivierung der Botenstoffe im Zellinneren und - wie wir nun wissen - auch außerhalb der Zelle. Auf diese Weise kann es zu einer sehr schnellen Entzündungsreaktion kommen, die hilft, die unerwünschten Fremdkörper oder mikrobiellen Eindringlinge möglichst schnell los zu werden", berichtet Erstautor Bernardo S. Franklin.

Mit Hilfe von Fluoreszenztechniken markierten die Forscher in Immunzellen das Inflammasom. Immer wenn es aktiv war, leuchtete es wie kleine Sterne im Inneren der Zelle auf. Mit dieser Methode konnten die Wissenschaftler verfolgen, wie kurz nach dem Absterben der Zellen das Inflammasom als intakter Proteinkomplex weiter angeschaltet blieb und immer mehr Nachbarzellen zu einer Entzündungsreaktion stimulierte. Auch in Raucherlungen von Menschen fanden die Forscher Immunzellen, bei denen das Inflammasom durch toxische Stoffe im Zigarettenrauch Nachbarzellen im Daueralarm hielt.

Ansatzpunkte für neue Therapien

"Normalerweise ist die heftige Immunreaktion sehr hilfreich, um gefährliche Schäden am Gewebe durch das Einleiten einer Entzündungsreaktion abzuwenden", sagt Latz. Wenn aber solche Entzündungsreaktionen überschießen oder auch über einen längeren Zeitraum anhalten, könne dies zu typischen Zivilisationskrankheiten wie Gicht, Alzheimer-Demenz, Diabetes oder Arterienverkalkung beitragen. Hier sehen die Forscher interessante Ansatzpunkte für neue Therapien: "Wenn es uns gelingt, geeignete Antikörper herzustellen, könnten wir die Alarmkette des Inflammasoms außerhalb von Zellen und damit eine gefährliche Chronifizierung der Entzündungsreaktion wahrscheinlich in Schach halten", hofft Latz. (red, derStandard.at, 28.06.2014)