Seit seiner Wiederwahl im April lässt Ungarns rechtsnationaler Ministerpräsident Viktor Orbán keinen Zweifel daran, dass er seine durch Verfassung und Gesetze einzementierte Macht noch weiter abzusichern gedenkt. Als Gefahrenherd für ihren Machtanspruch haben Orbán und seine Parteigänger jene wenigen Medien, Vereine und Bürgerrechtsorganisationen ausgemacht, die noch unabhängig arbeiten und Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit sowie Korruptionsfälle publik machen.

Orbán wird dabei aber nicht selbst aktiv. Sein Kanzleramtsminister János Lázár bewirkte jüngst durch Druck auf den Eigentümer Deutsche Telekom, dass der Chefredakteur des kritischen Online-Magazins Origo gehen musste. Wegen der aus Solidarität erfolgten Selbstkündigung der meisten Redakteure existiert dieses Medium in seiner bisherigen Form nicht mehr.

Ins Visier der Regierungskontrollore sind nun Dutzende regierungsunabhängige Organisationen (NGOs) geraten, die Geld von Norwegian Grants erhalten. Der vom norwegischen Staat finanzierte Fonds unterstützt Demokratieaufbau, ökologische Entwicklung und soziale Kohäsion in den Transformationsländern.

Der ungarischen Dachstiftung Ökotárs, die die Gelder in Ungarn verteilt - und einigen ausgesuchten Empfängern auch - schickt Lázár nun das Regierungskontrollamt KEHI ins Haus. Diese für Korruptionsfälle innerhalb der Regierungsstrukturen zuständige Behörde hat zwar nach Ansicht von Juristen kein Mandat, gegen private Vereine zu ermitteln - doch ihre Bescheide sind im Verwaltungsverfahren nicht anfechtbar und ihre Kontrolleure hören direkt auf die Order von Orbáns Gefolgsleuten.

Unter den Organisationen, die das KEHI nun durchleuchten will, befinden sich neben Ökotárs auch das Aufdeckungsportal Atlatszo (Durchblick), die Bürgerrechtsorganisation TASZ, der Korruptionswatchdog K-Monitor oder auch der Trägerverein der Budapest Pride. Insgesamt 58 Organisationen wurden vergangene Woche vom KEHI aufgefordert, alle relevanten Korrespondenzen und Daten ihrer von Norwegian Grants geförderten Projekte vorzulegen.

"Sensitive Daten"

"Wir gehen davon aus, dass sie darauf abzielen, an personenbezogene, sensitive Daten heranzukommen", meint Veronika Móra, Direktorin von Ökotárs. Die Orbán-Leute würden eben allzu gerne wissen, wo die undichten Stellen seien, durch die die Öffentlichkeit gelegentlich von Korruptionsfällen erfährt.

Die Organisationen weigern sich deshalb, Daten im geforderten Umfang auszuliefern. "Es handelt sich um einen Machtmissbrauch", sagt Máté Dániel Szabó von TASZ. "Das, was für die Beurteilung der korrekten Durchführung unserer geförderten Projekte relevant ist, haben wir ins Internet gestellt. Das kann sich jeder ansehen."

Kritik von Human Rights Watch

Kritik an dem Vorhaben kam am Mittwoch auch von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). "Der Druck auf die NGOs seitens der ungarischen Regierung stellt einen weiteren Posten in deren düsterer Bilanz dar, Kontrollinstanzen für die Regierungsmacht auszuhebeln", hieß es. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 25.6.2014)