Wien - Dieses Stück, diese Inszenierung: ein Glück. Der weite, mächtige Kirchenraum von San Andrea della Valle im ersten Akt: weich das Licht im Hintergrund, hell und präsent die Sänger vorn, wie in einem Gemälde von Caravaggio. Der erste Auftritt Toscas in ihrer rot-weißen Robe: Barbara Haveman schreitet die Seitenkapelle herrlich herrisch ab, wie es sich für eine professionelle Diva gehört, verströmt aber leider auch gouvernantenhafte Prüderie. Lover Cavaradossi begrüßt sie folgerichtig erst einmal mit Stirnkuss.

Die Opernsängerin Haveman singt die Opernsängerin Tosca ganz wundervoll: immer rund-glänzend ihr Sopran, durchsetzungsfähig, obschon von eher schlanker Fasson. Gut: Eine üppige Tiefe hat sie, wie Thomas Hampson, nicht. Dessen erster Scarpia am Haus ist äußerst respektabel: also böse, böse, böse, erst einmal. In der Kirche schnauzt er mit Verve alle zusammen, im zweiten Akt ist er lustvoller Foltermeister vom Palazzo Farnese.

Grandezza, Geilheit, Grausamkeit: alles da. Klar - eine leichte Schärfe in der Stimme täte jedem Scarpia gut, Schwärze, eine machtvolle Tiefe - wie einst Franz Grundheber, Wicus Slabbert. Aber Hampson fesselt nichtsdestotrotz durch kraftbetonte Intensität. Eine Bank auch Marcello Giordani. Gemächlich, aber beeindruckend kraftvoll und geradlinig singt er den Cavaradossi, mit hohen Tönen zum Ohrenausputzen. Paolo Rumetz gibt erstmals einen witzigen Mesner und beschmückt die falschen Balustraden, Alfred Sramek vermisst man etwas. Marcus Pelz ist ein solider Angelotti.

Das Staatsopernorchester liebt die Tosca, es ist berührend, umwerfend, was da aus dem Orchestergraben kommt. Allmächtig und dämonisch wie Scarpia das Blech, einen Hauch scheppernd-vulgär mitunter: spitze. Die Streicher bieten Herzerwärmendes von zartestem Glimmen bis zu sattester Glut. Schön das Celloquartett, fast etwas zu kräftig das Klarinettensolo. War da einmal ein Horn zu früh im ersten Akt? Egal. Philippe Auguin darf so tun, als ob er dirigiert: Er koordiniert die Sache mit großväterlichem Bemühen, etwas betulich oft. Marcello Viotti fehlt. Trotzdem: ganz große Oper. (Stefan Ender, DER STANDARD, 25.6.2014)