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Prorussische Separatisten in der Nähe eines Checkpoints in der Region Luhansk.

Foto: REUTERS/Shamil Zhumatov

New York/Kiew - Im Ukraine-Konflikt sind nach Schätzungen der Vereinten Nationen seit Mitte April mindestens 423 Menschen getötet worden. Diese Opferzahl nannte der Untergeneralsekretär für Menschenrechte, Ivan Simonovic, am Dienstag im Sicherheitsrat in New York. Er bezog sich dabei auf Informationen offizieller Quellen.

Bei den zwischen dem 15. April und dem 20. Juni Getöteten handelt es sich demnach sowohl um Soldaten als auch um Zivilisten. Laut Simonovic hat sich die Situation in der Ukraine zuletzt verschlechtert. Er begründete das unter anderem mit einer Zunahme der Zahl der Waffen im Konfliktgebiet und der weiteren Rekrutierung von Kämpfern. Menschenrechtsverletzungen durch bewaffnete Gruppen nähmen ebenso zu wie die allgemeine Kriminalität.

Separatisten schossen Hubschrauber ab

Auch am Dienstag kam es erneut zu gewaltsamen Zwischenfällen, prorussische Separatisten schossen einen Armeehubschrauber ab. Alle neun Insassen seien dabei ums Leben gekommen, sagte ein Militärsprecher. Drei Soldaten seien zudem bei Rebellenangriffen auf Militärposten und Kontrollpunkte getötet worden.

Die Aufständischen gaben jedoch an, dass auf sie zuerst geschossen worden sei. Präsident Petro Poroschenko wies seine Sicherheitschefs an, "ohne zu zögern das Feuer zu eröffnen", sollten Regierungstruppen angegriffen werden. Er schließe nicht aus, "das Regime der Waffenruhe" vorzeitig zu beenden, wenn die Aufständischen weiterhin dagegen verstießen, erklärte Poroschenko.

Der Anführer der russischen Separatisten Alexander Boroday gab am Dienstag eine Pressekonferenz, bei der er die vereinbarte Waffenruhe leugnete.

"Ich erkläre offiziell, dass es keine Waffenruhe gab und es vom jetzigen Standpunkt auch keine geben wird", so Boroday am Anfang des Videos.
Storyful, Radio Svoboda Organization

Die ukrainische Armee hat den Separatisten vorgeworfen, seit Montag bereits 44 Mal ukrainischen Soldaten in der Region angegriffen zu haben. Das erklärte Armeesprecher Wladislaw Selesniow am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite.

Waffenruhe bis Freitag

Die Waffenruhe sollte eigentlich bis Freitagvormittag gelten. Poroschenko hatte sie einseitig Ende vergangener Woche als Teil seines Friedensplans ausgerufen. Am Montagabend zogen die Rebellen in ihren Hochburgen Donezk und Luhansk nach. Das hatte Hoffnungen auf eine diplomatische Annäherung geweckt. Dazu trugen auch Entspannungssignale Russlands bei. So beantragte Präsident Wladimir Putin beim Parlament in Moskau am Dienstag eine Aufhebung der im März erteilten Erlaubnis für ein militärisches Eingreifen in dem Nachbarland.

Zugleich äußerte Putin sich aber am Abend bei einem Besuch in Wien skeptisch über die Erfolgsaussichten der Feuerpause. Die bis Freitag gesetzte Frist müsse verlängert werden. Sie sei zu kurz, um das Blutvergießen zu beenden, sagte Putin. "Es reicht nicht aus, eine Waffenruhe zu vereinbaren, es müssen auch konkrete Verhandlungen geführt werden." Sonst drohe ein Scheitern.

Vollmacht zum Einmarsch in die Ukraine aufgehoben

Zugleich hat der russische Föderationsrat die Vollmacht Putins zum möglichen Einmarsch in der Ukraine aufgehoben. Das Oberhaus des Parlaments sei damit einem Antrag des russischen Präsidenten nachgekommen, meldete die Agentur Interfax am Mittwoch in Moskau. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin begrüßte die Maßnahme, betonte aber, dass weitere positive Schritte Moskaus folgen müssten.

Der Föderationsrat hatte Putin die Erlaubnis zur Militärintervention auf dem Höhepunkt der Krim-Krise am 1. März erteilt. Erst Ende vergangener Woche hatte Russland nach Angaben der NATO die Truppen im Grenzgebiet massiv aufgestockt, was die Angst vor einer Eskalation verstärkte.

EU stellt Weichen für Wirtschaftssanktionen

Die Staats- und Regierungschefs der EU treffen am Freitag zusammen, um über die Lage in der Ukraine zu beraten. Dabei könnten auch die Weichen für Wirtschaftssanktionen gegen Russland gestellt werden, sollte Putin sich nicht für eine Entspannung in der Ukraine einsetzen.

Großbritannien hat Russland am Mittwoch erneut mit verschärften Sanktionen gedroht. Das Land gehe nicht entschieden genug gegen die Unruhen im Osten der Ukraine, sagte der britische Außenminister William Hague beim Nato-Außenministertreffen in Brüssel. Russland habe den Friedensplan Poroschenkos zwar positiv aufgenommen, lasse dieser Haltung aber keine Taten folgen.

"Russland muss Maßnahmen ergreifen, um die Waffenlieferungen in die Ukraine zu stoppen, und aufhören, verbotene bewaffnete Gruppen in der Ostukraine zu unterstützen", forderte Hague. Geschehe dies nicht, würden die Rufe nach schärferen Strafen gegen Russland in der EU lauter werden. Die EU und die USA werfen Russland vor, die Separatisten zu unterstützen. Russland bestreitet das.

Keine Kooperation mit Moskau

Kritik kommt auch neuerlich von der NATO. "Ich muss leider sagen, dass wir keinerlei Zeichen dafür sehen, dass Russland seinen internationalen Verpflichtungen nachkommt", sagte Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Die NATO werde deswegen über ihre künftigen Beziehungen zu Russland nachdenken müssen. Als Reaktion auf den anhaltenden Konflikt mit Russland haben die NATO-Außenminister entschieden, die Zusammenarbeit mit Moskau weiter auszusetzen.

Man habe gesehen, dass Russland "eine neue, andere Art der Kriegsführung gegen die Ukraine" entwickelt habe, sagte er unter offensichtlichem Bezug auf das Auftauchen bewaffneter Gruppen, die angeblich unabhängig von der russischen Regierung handeln. "Wir werden auch darüber reden, wie wir solche nicht eindeutigen Bedrohungen besser verstehen und wie wir mit ihnen in der Zukunft umgehen können."(APA, red, 25.6.2014)