"It's not a waste of time, if you enjoy the time you waste."

Foto: Rockstar Games/"Grand Theft Auto 5"

Jedes Mal wenn uns in der Redaktion eine Nachricht über eine abermals unglaubliche Videospielleistung unterkommt - sei es die eine oder andere Bezwingung "World of Warcrafts" oder ein perfektionierter Speedrun - lassen sich zwei Dinge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit prognostizieren:

Erstens werden sich ganz viele Poster darüber echauffieren, welch große Zeitverschwendung dies alles doch ist. Und zweitens werden die Geschichte mehr Leute lesen, als die Mehrheit aller anderen Artikel des Tages und vielleicht sogar der Woche.

Weshalb die Aliens uns nicht wollen

Interessant dabei zu beobachten ist, dass Videospielen in solchen Extremfällen ein besonders hohes Maß an Unsinnigkeit zugeschrieben wird. Fast reflexartig fallen Sätze wie "Get a life" von User Perfectus oder "Hätt er besser Bücher gelesen in dieser Zeit! Was für eine Zeitvergeudung!" von Cordoba78. "Zeitverschwendung", titelt andy1988 sein Posting. "Was hätte man nicht alles Sinnvolles machen können in dieser Zeit" schreibt er darunter und gibt der sinnfreien Freizeitbeschäftigung auch noch die Schuld für die Einsamkeit der Erdenbewohner, "this is why aliens won't talk to us". Mit viel Augenzwinkern ist hingegen das Kommentar von Forever mirin - Zyzz zu verstehen: "In dieser Zeit hätte er lieber ins Fitnesscenter gehen sollen!"

Auf Streichhölzern gebaut

Dabei drängt sich natürlich die Frage auf, was Videospielen zu einer vermeintlich so viel sinnloseren Beschäftigung macht, als jede andere Tätigkeit.  "Ich versteh immer noch nicht, warum Computerspielen nicht als Hobby angesehen wird", wundert sich etwa Klaus Kurz1. "Wenn jemand aus Streichhölzern Schönbrunn nachbaut, ist das eine tolle Leistung. Wenn in Kellern Modellflugzeuge nach echten Vorbildern nachgebaut werden, ist das beeindruckend. Aber kaum hört man von gleich zeitaufwändige Leistungen beim Gamen, wird es sofort als Zeitverschwendung gebrandmarkt. Computerspiele sind Hobbies, wie alle anderen Hobbies auch."

Sich über die angebliche Zeitvergeudung eines anderen aufzuregen, berge reichlich Ironie in sich, gibt Slash B zu Bedenken. "Manche, die hier im derStandard-Forum ihren halben Tag verbringen, witzeln also darüber, dass jemand in der gleichen Zeit 'WoW' spielt? Ihr seid schon ziemlich krass :D."

Hamsterradläufer und Systemsoldaten

Zwischenzeitlich führt selbst die Debatte über ein Hobby sogar zur Ergründung des Lebenssinns. Ist es besser, sich zu Tode zu arbeiten, als Gold in "WoW" zu sammeln? "Ich kann zwar mit der Nachricht auch nicht wirklich viel anfangen, aber wie sich all die Hamsterradläufer, Systemsoldaten und selbsternannten Leistungsträger hier echauffieren, weil jemand sein Leben so lebt, wie es ihm Spaß macht, ist schon sehr amüsant", schürft buntstift etwas tiefer in der Materie schließt mit einem Seitenhieb gegen Workaholics ab. "Aber gut, auf der Jagd nach der 100sten unbezahlten Überstunde im Monat hat man für Level 100 in 'WoW' wohl kein Verständnis."

Denn, ob einen Turm bauend oder Tastenklickend, aus dem Weltall betrachtet sind doch all unsere Bemühungen unbedeutend. "Der Mensch, ein eigenartiges Wesen, wohl das dämlichste auf Erden...", sinniert ein Poster mit dem alles sagenden Namen "Am ende sind allle gleich".

Glück ist alles

So bleibt dem sich über seine Endlichkeit und galaktische Bedeutungslosigkeit bewussten Mensch nur die Suche nach dem persönlichen Glück: Der ultimative Maßstab dafür, ob etwas Zeitverschwendung oder sinnvoll ist. "Das Leben ist zu Kurz...", mahnt der reuevoll auf seine tausenden in "Guild Wars" verbrachten Stunden rückblickende Nihil verum Omnia licita. "Es ist schmerzhaft zuzugeben, dass man die Zeit vergeudet hat."

Und für die ewig Bereuenden und Grübelnden findet Martin Major leitende Worte zum Schluss: "It's not a waste of time, if you enjoy the time you waste."

Sommerpause

In diesem Sinne verabschiedet sich der Berufsspieler in die Sommerpause, um nach Stunden und Tagen des reglosen Starrens gegen den Plafond oder auf den Meereshorizont sinnerfüllt im August zurückzukehren. Tun Sie mal nichts, das tut Ihnen gut. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 28.6.2014)