Wien - "Berühren verboten" ist wohl eines der häufigsten Schilder in Museen. Am Naturhistorische Museum Wien (NHM) ist dagegen bei 23 Exponaten - vom versteinerten Dino-Kot bis zu den Überresten der ersten Lebewesen der Erde - das Berühren explizit erwünscht. Der "Blind Date" genannte Pfad für blinde und sehschwache Besucher ist eine von drei neuen partizipativen Vermittlungsinitiativen des NHM.

Früher hätten Museen ihre Besucher belehrt, "heute lernen wir - mit den neuen Herausforderungen, die etwa die geänderte Besucherstruktur an uns stellt", sagte Reinhard Golebiowski im Zusammenhang mit dem immer jüngeren Publikum des NHM. Dieses werde zunehmend "zur kommunikativen Plattform, wo das Publikum seine Interessen ausdrücken kann". Um den Besuchern dies zu ermöglichen, hat das NHM drei Projekte mit Schülern und Studenten durchgeführt, deren Ergebnisse nun allen Besuchern des Hauses zur Verfügung stehen.

Erleben ohne Führung

Für blinde und sehschwache Besucher bietet das NHM schon seit Jahren Spezialführungen an. Nun ermöglicht ein mit Schülern des Bundes-Blindenerziehungsinstituts konzipierter Pfad den regulären Besuch des NHM abseits von Führungen. Dazu wird nicht nur ein Audioführer mit Wegbeschreibung durch die Ausstellung und zu den begreifbaren Objekten geboten, sondern auch eine Broschüre in Brailleschrift. Zudem sind die Objektbeschreibungen und der Plan auf der Homepage des NHM abrufbar. Das Ertasten einer Amethyst-Geode, eines Dino-Knochens und -Häufchens oder von Urmenschen-Schädeln sind dabei sicher nicht nur für sehschwache Besucher ein besonderes haptisches Erlebnis.

Im Projekt "Timetrips" wollten die Museumspädagogen Schülern des Gymnasium Mödling "Platz geben für ihre eigene Sicht der Dinge", wie Iris Ott vom NHM sagte - konkret auf zwölf von insgesamt 100 "Top-Objekten" des NHM. Ergebnis ist ein Parcours durch die Ausstellung mit zwölf multimedialen Vitrinen, mit deren Hilfe neue Zugänge zu den Ausstellungsstücken geschaffen werden. So wurden von einer 14.000 Jahre alten Knochenpfeife erstmals 3D-Scans und Repliken erzeugt, ein Computer ermöglicht es, auf dem Instrument zu spielen. Dem "Edelsteinstrauß", den Kaiserin Maria Theresia ihrem Mann Kaiser Franz Stephan geschenkt hatte, kann man sich sinnlich über Musik und Gerüche annähern.

In einem weiteren Projekt stellten sich Schüler des Wiener Goethe-Gymnasiums mit den Museumspädagogen der Herausforderung, wie man das brisantes Thema "Rohstoffe und ihre Endlichkeit" in der statischen Schausammlung des NHM vermittelt. Die Schüler recherchierten die Inhalte bei Wissenschaftern, Ergebnis sind 15 Textfahnen bei exemplarisch ausgewählten Exponaten. Die Texte widmen sich dabei etwa der schmutzigen Gewinnung von reinem Gold, der größten Wolfram-Lagerstätte Europas in Salzburg und den zur Neige gehenden Phosphor- und Erdöl-Reserven. (APA, derStandard.at, 27. 6. 2014)