Wien - Ein schier unfassbarer Polizeiskandal oder eine extrem bösartige Verleumdung: Darum geht es im Prozess gegen Christof R. und Almuth G., 32 beziehungsweise 25 Jahre alt. Vor Richterin Olivia-Nina Frigo sitzen sie, da sie am 19. Oktober auf einem Partyschiff randaliert und Polizisten attackiert haben sollen.

Die Vorwürfe: Schwere Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Doch es gibt noch einen Anklagepunkt: Sie behaupteten öffentlich, bei der Amtshandlung sei es zu Polizeigewalt gekommen und im Arrest seien sie misshandelt worden. Die Polizei bestreitet das, daher wurde auch Verleumdung angeklagt.

Neun Uhr morgens

Es sei neun Uhr morgens gewesen, als drei Beamte auf das Schiff kamen, erzählt R., der sich nicht schuldig bekennt. "Ich habe gefragt, was los ist, es hat geheißen, in fünf Minuten müssen alle weg sein." Der Erstangeklagte wollte nicht, es kam zu einem Disput.

"Der Polizist hat ,Schleich dich, Oarschloch' gesagt", sagt er. Er selbst sei ruhig geblieben, habe vielleicht ein wenig lauter gesprochen, weil er sich nicht beleidigen lassen wollte. Plötzlich habe ihn der Beamte gepackt und gegen die Wand geworfen.

"Warum soll er so aggressiv gewesen sein?", fragt ihn Frigo. "Vielleicht weil ich ihm auf die Nerven gegangen bin", spekuliert R. Er sei kauernd auch mit Faustschlägen traktiert worden, ehe er hinausgebracht wurde - ohne dass ihm gesagt worden sei, warum.

Angeblich 30 Tritte

Dann kommt der gravierendste Vorwurf: Auf der Polizeiinspektion Deutschmeisterplatz sei er gefesselt von drei Beamten in eine Zelle gestoßen worden. "Dort haben sie mich in den Bauch, auf den Rücken und den Kopf getreten, jeder sicher zehnmal."

"In Ihrer ersten Einvernahme haben Sie noch gesagt, es sei insgesamt zwei- bis dreimal gewesen?", hält ihm die Richterin vor. "Aus Angst vor einer Verleumdungsklage." "Aber dann spielt es ja keine Rolle, wie viele Schläge Sie angeben." Er habe Nasenbluten bekommen und einen Arzt verlangt, gekommen ist keiner.

Seine Freundin bestätigt diese Geschichte: R. sei friedlich gewesen, der Polizist habe grundlos attackiert. Sie selbst wollte zu ihm und sei von Polizisten brutal gegen ein Geländer und später einen Baum gedrückt und geschlagen worden.

Schulterverletzung festgestellt

Bei der Polizei habe man sie beleidigt, ihr den WC-Besuch und Wasser verweigert, ehe ein Sanitäter gerufen und sie zur Kontrolle ins Krankenhaus gebracht wurde, wo eine Schulterprellung diagnostiziert wurde. Auch R. fuhr nach seiner Freilassung ins Spital - die Folgen der angeblichen Tritte sollen aber optisch nicht beeindruckend sein.

Was denn die Buchstabenkombination ACAB auf ihrem damaligen Pullover bedeute, will Frigo von G. wissen. "Es gibt mehrere Übersetzungsmöglichkeiten. ,All cops are beautiful', zum Beispiel." Wobei - die Gebräuchlichste ist doch: "All cops are bastards".

Die involvierten Polizisten sagen dagegen aus, beide seien aggressiv gewesen. Es sei keine besondere Gewalt ausgeübt worden. Da auch andere Gäste bedrohlich gewirkt hätten, habe man die höchste Alarmstufe ausgelöst, am Ende waren 30 Beamte im Einsatz.

Fortsetzung am Donnerstag. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 26.06.2014)