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Viele Staaten, etwa die USA (im Bild ein Center der Homeland Security) vermehren ihre Cyberwar-Ressourcen. Israel rekrutiert schon in der Schule

Foto: Reuters/Wilking

Maria will Cyber-Kämpferin in der israelischen Armee werden. Die rothaarige 16-Jährige nimmt schon seit zwei Jahren an einem Programm teil, das bereits Schüler auf den Kampf in der virtuellen Welt des Internets vorbereitet. "Es ist wirklich sehr interessant, was wir dabei lernen", schwärmt die junge Frau, die knapp vor der Reifeprüfung steht.

Maria ist zu einer Konferenz an der Universität Beerschewa in der Negev-Wüste gekommen, auf der weitere Schülerinnen für das Programm rekrutiert werden sollen. Denn bisher ist der Anteil der Mädchen mit etwa 15 Prozent immer noch sehr gering. "Dieser Bereich gilt immer noch als sehr männlich, wenig sozial, viele Frauen schreckt das ab", erklärt Majorin Raya, die im Süden des Landes für das Programm "Magschimim" (Traumerfüller) zuständig ist.

Stuxnet als Auslöser

Der Krieg in der virtuellen Welt ist in Nahost schon voll in Gange. Israel hat immer wieder mit massiven Hacker-Angriffen vor allem auf Regierungswebseiten zu kämpfen. Auf der anderen Seite war Israel gemeinsam mit den USA als einer der möglichen Schöpfer des Computerwurms Stuxnet genannt worden, der iranische Atomanlagen sabotierte.

Israels Erzfeind Iran entwickle sich in den vergangenen Jahren zu "einem der aktivsten Spieler in der Arena des internationalen Cyber-Kriegs", schrieben Forscher vom Institut für nationale Sicherheitsstudien (INSS) an der Universität Tel Aviv. Vor diesem Hintergrund investiert Israel immer mehr in die Ausbildung künftiger Cyber-Kämpfer und geht mit diesem Ziel schon an die Schulen.

Hat Priorität

Oberstleutnant Sagi arbeitet für den israelischen Militärgeheimdienst und ist dort für die Bildung im Cyber-Bereich zuständig. "Cyber ist heute eine der wichtigsten Prioritäten der israelischen Armee", erklärt er bei einem Gespräch in der Kiria, dem Militärhauptquartier in Tel Aviv. Auf die Frage, ob die zuständige Abteilung im Militärgeheimdienst wächst, antwortet er: "Ganz klar ja, hundertprozentig ja." Es gebe einen enormen Anstieg der Rekrutenzahl in diesem Bereich.

"Soweit ich weiß, ist Israel eines der ersten Länder der Welt, das Cyber-Sicherheitsstudien schon in der Schule unterrichtet", sagt er. Auf dem Schlachtfeld der Zukunft komme es immer weniger auf Muskelkraft, sondern vor allem auf intellektuelle Fähigkeiten an.

Förderprogramme

Ein Teil seiner Arbeit ist es, in Schulen talentierte junge Menschen zu finden und sie auf die Rekrutierung in den Cyber-Einheiten vorzubereiten. "Ich helfe dabei, die neue Generation auszubilden", sagt Sagi.

Die Armee bietet gegenwärtig zwei Programme für israelische Schüler an. Das erste, Gevahim (Höhen), findet während der Schulzeit statt, und Magschimim nach dem Unterricht - und vor allem in der israelischen Peripherie.

"An dem Programm Gevahim nehmen heute in Israel zehn Gymnasien teil, im nächsten Jahr sollen es schon 20 sein", erzählt Oberstleutnant Sagi. Diese Zahl solle in Zukunft auf 100 gesteigert werden. Die Armee stellt dabei den Lehrplan und die Bücher und bildet auch die Lehrer aus. Die Schülern lernen eine Kombination aus Computerwissenschaften und Cyber-Kampf. "Es ist ein sehr hohes Niveau an Wissen notwendig", sagt Sagi.

"Blackbox knacken"

Ingesamt besteht das Programm aus 900 Unterrichtsstunden, die von der 10. bis zur 12. Klasse verteilt sind. Die Schüler lernen unter anderem die Programmiersprachen Assembly, Python und C. "Vor allem aber lernen sie eine neue Art des Denkens", erklärt Sagi.

Was macht einen hoch qualifizierten Cyber-Kämpfer aus? Für Sagi ist es vor allem die Fähigkeit zum eigenständigen Lernen. "Sie müssen bei kniffeligen Aufgabenstellungen den starken Willen haben, die "Blackbox" zu knacken und nicht so schnell aufzugeben", erklärt der Militär. "Cyber-Experten müssen eine besondere Leidenschaft für die Problemlösung haben."

Indirekte Folge: Start-Ups

Gegenwärtig lernen an zehn Schulen 400 Schüler in dem Gevahim-Programm, 80 davon machen in diesem Jahr Matura. "50 bis 60 Prozent von ihnen werden dann in die Cyber-Einheit der Armee aufgenommen", sagt Sagi, der selber Maschinenbauingenieur ist.

In Israel müssen Männer drei Jahre und Frauen zwei Jahre lang Wehrdienst leisten. Später kommt für viele jährlich etwa ein Monat Reservedienst dazu. Die Einheiten im Geheimdienst, vor allem die Cyber-Einheit, gelten dabei als wichtiges Karriere-Sprungbrett. Viele der israelischen Startup-Millionäre haben in dieser Militäreinheit mit dem Programmieren angefangen.

Die Frage, ob es Kritik an dem Eindringen der Armee in die zivilen Bereiche der Gesellschaft gebe, beantwortet Sagi lächelnd mit "Ja". "Es gibt schon ein bisschen Kritik, von Politikern, Schulleitern und vielen Lehrern", sagt er. "Aber immer weniger." Er sei in den Schulen in Zivilkleidung unterwegs. "So ist es leichter, auf Leute zuzugehen", erklärt er. "Insgesamt ist es aber eher so, dass die Schulen uns mit offenen Armen aufnehmen." (APA/DPA, derStandard.at, 26.6.2014)