London - Die Geschichte um abgehörte Telefon-Mobilboxen, bestochene Polizisten, Prominente in der Opferrolle und politische Ränkespiele hätte ein Romanautor nicht erfinden können. Der Skandal im Imperium von Medienzar Rupert Murdoch hat nicht nur die britische Zeitungslandschaft bis ins Mark erschüttert. Er hat auch eine gefährliche Distanzlosigkeit von Politikern und Medienschaffenden offenbart.

Oder wie Oppositionschef Ed Miliband es voller Vorwurf ausdrückte: "David Cameron hat seine Beziehung zu Rupert Murdoch über das gestellt, was richtig ist." Der Regierungschef schulde dem Land eine Erklärung.

Debatte im britischen Parlament
UK Parliament

Mit Andy Coulson, dem früheren Regierungssprecher von Premierminister David Cameron, ist an Dienstag in dem seit mindestens dreieinhalb Jahren schwelenden Skandal nun ausgerechnet ein Akteur an der Schnittstelle von Politik und Medien schuldig gesprochen worden.

Dem früheren Chefredakteur der inzwischen eingestellten Skandalzeitung "News of the World" wies die Jury Mitwisserschaft bei den illegalen Abhörpraktiken nach, denen unter anderem auch Prinz William und seine Frau Kate, Williams Bruder Harry und Prominente wie die Schauspieler Hugh Grant und Siena Miller zum Opfer gefallen waren. Coulson droht nun im schlimmsten Fall der Gang ins Gefängnis - zumal Coulson in Schottland auch noch einen Prozess wegen Meineids zu überstehen hat.

Der acht Monate währende Prozess vor dem Zentralen Strafgerichtshof Old Bailey in London und diverse Untersuchungen im Vorfeld hatten teils delikate Details zutage gefördert. Neben Coulson stand seine Vorgängerin als Chefredakteurin und spätere Verlagschefin in Rupert Murdochs britischem Zeitungsimperium, Rebekah Brooks, im Zentrum des Verfahrens.

Die Diva mit dem roten Lockenschopf, letztlich in allen vier Anklagepunkten freigesprochen, offenbarte etwa, dass Premierminister David Cameron ihr SMS-Nachrichten mit dem Gruß-Kürzel "lol" geschickt hat - weil er gedacht habe, dies bedeute "Lots of Love". Später wurde sie selber peinlich berührt. Die Staatsanwaltschaft zerrte einen von ihr verfassten Liebesbrief ans Licht. Er offenbarte, dass sie eine Affäre mit ihrem Kollegen und damaligen Stellvertreter von Coulson unterhalten hatte.

Doch Peinlichkeiten sind für Brooks, der nachgesagt wird, "das Unterhalten von Kontakten zu den Mächtigsten zu ihrem Geschäftsmodell" gemacht zu haben, nicht das Problem. Ihr Ehemann Charlie, Trainer von Rennpferden und ebenfalls ein guter Freund von Premier Cameron, hatte in einer Tiefgarage versucht, ein Laptop verschwinden lassen. Die Anklage vermutete, auf der Festplatte hätten sich Beweise für Brooks Fehlverhalten finden können. Der Gatte wurde freigesprochen, die Jury ließ ihn mit der Erklärung laufen, er habe nur ein paar Porno-Bilder verstecken wollen. Damit war auch seine Frau Rebekah weißgewaschen.

David Camerons Freunde - Charlie Brooks kennt er schon aus Schulzeiten im Eliteinternat Eton - konnten in dem Prozess den Kopf aus der Schlinge ziehen. Der Premierminister selbst muss dies nun auch tun. "Wir wissen jetzt, dass er einen Straftäter in die Downing Street gebracht hat", sagte Miliband und deutete an, dass die Opposition zehn Monate vor der Parlamentswahl nicht gewillt ist, sich mit ein paar Floskeln abspeisen lassen will. Cameron musste sich umgehend entschuldigen. "Es war eine schlechte Entscheidung", sagte er. Coulson habe ihm nicht die Wahrheit gesagt. Ob Coulson in dieser Hinsicht der einzige in dem Verwirrspiel ist, weiß man nicht. (APA, 26.6.2014)