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Screenshot: derstandard.at

Ausführungen zu "Sokrates Bund". Quelle: auf http://bine-sbg.salzburg.at/faq/index.php?action=artikel&cat=27&id=159&artlang=de.

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Details zur Schülerdatenpflege. Quelle: auf http://bine-sbg.salzburg.at/faq/index.php?action=artikel&cat=27&id=159&artlang=de. 

An zahlreichen Bundesschulen in Österreich findet derzeit auf Geheiß des Unterrichtsministeriums eine gravierende Umstellung der Schulverwaltung statt. Alte Schulverwaltungssysteme werden abgelöst durch "Sokrates Bund". Die Software ermöglicht penible Aufzeichnungen über jeden einzelnen Schüler, aber auch über Lehrer.

Und: Im Gegensatz zu den bisherigen Verwaltungspraktiken verbleiben die Datensätze nicht an den einzelnen Schulen, sondern werden zentral gespeichert. Folglich können nicht nur die Schulen selbst auf die Daten ihrer Schüler und Schülerinnen zugreifen, sondern theoretisch auch das Unterrichtsministerium.

Aus dem Unterrichtsministerium wird versichert: Sämtliche Daten würden auf Basis bestehender Gesetze und Verordnungen gespeichert. Die Daten seien ausschließlich für die mit der Verwaltung beauftragten Personen an den Bundesschulen zugänglich.

Kritik von Lehrergewerkschaft

AHS-Lehrergewerkschafter Matthias Hofer unterrichtet selbst an einem Gymnasium in Tirol. Das Bundesland sei bereits im Wintersemester für "Sokrates Bund" als Pilotregion eingesetzt gewesen, sagt er. Im Gespräch mit dem STANDARD berichtet er von zahlreichen Pannen bei der Erstellung der Semesterzeugnisse. Über die Online-Datenbank habe man Einblick in die Notenaufzeichnungen aller Pilotschulen gehabt, schildert Hofer. Es sei sogar möglich gewesen, die Noteneingaben - auch schulfremde - zu verändern.

Vonseiten des Unterrichtsministeriums heißt es dazu: "Nach Auskunft der Herstellerfirma bestand diese Sicherheitslücke zu keinem Zeitpunkt im Produktionssystem, sondern nur am Test-/Schulungssystem."

Maturazeugnisse als Herausforderung

Jetzt, wo die Noteneingabe in die Abschlusszeugnisse anstehe, würden viele Lehrer aufgrund der Fragilität des Programms zittern, sagt Hofer. Die Maturazeugnisse habe man an vielen Standorten sicherheitshalber zusätzlich im alten Programm erstellt. In einem Rundschreiben ruft die AHS-Lehrergewerkschaft jedenfalls dazu auf, etwaige Fehler des Systems zu dokumentieren.

Neben den Adressdaten, dem Familienstand der Eltern, Religionsbekenntnis, Erstsprache und "weiteren im Alltag gesprochenen Sprachen" sieht das Programm vor, Verhaltensnoten, Fehlstunden, Frühwarnungen, Mahnungen, den Leistungsabfall sowie Transferleistungen wie Schulbücher zu dokumentieren. Als "Merkmalskategorie" sind Zuordnungen wie Gewicht, Größe und Chipnummer vorgesehen. Theoretisch wäre es möglich, "Sokrates Bund" künftig als virtuelles Klassenbuch und auch als Verwaltungsprogramm für Schulärzte zu nutzen, sagt Hofer. Laut Unterrichtsministerium ist eine solche Funktion nicht vorgesehen.

Datenschnittstelle

In einem Schulungsskriptum für Lehrer, das dem STANDARD vorliegt, heißt es: "Manche Begriffe wie Sozialversicherungsnummern, Kürzel der LehrerInnen und DVR-Nummern der Schulen sind relevant für die Zusammenarbeit mit anderen Systemen." Hofer: "Die Frage ist, was will man mit diesen Daten? Warum werden sie plötzlich zentral erfasst?"

Das Unterrichtsministerium erklärt: Für manche Datenbereiche würden andere Programme verwendet. Zur Prüfungsplanung mit "Sokrates Bund" würden die Namen der betroffenen Lehrerinnen und Lehrer benötigt. Diese würden über eine eigene Datenschnittstelle aus dem Lehrerverwaltungsprogramm automationsgestützt in "Sokrates" übernommen. Damit würden sich die Schulen den Aufwand der Mehrfacherfassung einzelner Daten ersparen. Diese Datenschnittstellen seien ausschließlich für die verschiedenen Verwaltungssysteme an den Schulen implementiert.

Variable Speicherdauer

Die Speicherdauer der Daten soll variieren. Laut Unterrichtsministerium bestehen verschiedene gesetzliche Regelungen für die Speicherdauer der einzelnen Datenmerkmale. Ein Teil der Daten, etwa die Sozialversicherungsnummer oder ein sonderpädagogischer Förderbedarf, würde zwei Jahre nach Ausscheiden des Schülers aus dem System gelöscht. Andere Daten werden länger gespeichert. So seien etwa Daten zur Ausstellung von Zeugnisduplikaten 60 Jahre lang an den Schulen aufzubewahren.

Flächendeckender Einsatz geplant

Das Ministerium will mit Beginn des Schuljahrs 2014/15 "Sokrates Bund" an "nahezu allen mittleren und höheren Schulen des Bundes flächendeckend" einsetzen. Nur einzelne der 529 Schulstandorte sollen aufgrund besonderer Umstellungserfordernisse zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Schuljahr umgestellt werden und den Betrieb der Software aufnehmen.

Die an den Schulen im Einsatz befindlichen Schülerverwaltungsprogramme seien "großteils technisch überaltert", begründet das Unterrichtsministerium die Umstellung. Sie hätten zudem "funktionell nicht alle aktuellen rechtlichen sowie organisatorischen Vorgaben wie die Modularisierung der Oberstufe" erfüllt.

Lehrerin: System "antipädagogisch"

Eine Lehrerin aus einem Wiener Gymnasium, die im Frühjahr in die Software eingeschult wurde, sagt zum STANDARD: "Ich bin schockiert über dieses mächtige Instrument und darüber, wie viel unserer Zeit in Zukunft offenbar für die Verwaltung von Schülern aufgebracht werden soll." Die lückenlose und zentral abrufbare Dokumentation sei "antipädagogisch" und könne Schüler verängstigen. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 26.6.2014)