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Wien - Wenn Andreas Schibany in einer Diskussionsrunde saß, konnte man sich einer Sache sicher sein: Hier wird Stoff zum Nachdenken geliefert, hier wird der Status quo des heimischen Innovationssystems analysiert und widersprochen, wann immer das notwendig ist. Der Ökonom und Technologieexperte, der zuletzt für das Institut für Höhere Studie (IHS) in Wien arbeitete, machte sich damit natürlich nicht nur Freunde. Aber selbst diejenigen, die es lieber gehabt hätten, auf einem Podium mit Schönrednern zu sitzen und einen gemütlichen, aber langweiligen Abend zu verbringen, schätzten ihn als beredten Debattenführer und als jemanden, der in seinen wissenschaftlichen Arbeiten und Analysen stets aktuelle Fragen aufgriff. Ein Freund sagt nun über ihn: "Ich kenne niemanden, der diese Debatten führt. Er hinterlässt eine große Lücke."

Schibany, Jahrgang 1966, hat an der Universität Wien Philosophie und Soziologie, aber auch Volkswirtschaft studiert. Mit knapp 30 Jahren wurde er Mitarbeiter im Bereich Systemforschung des Österreichischen Forschungszentrums Seibersdorf (heute Austrian Institute of Technology, AIT). Von 1999 bis 2013 war er am Joanneum Research, zuletzt als Leiter der Abteilung Technologie, Innovation und Politikberatung.

Verfechter der Grundlagenforschung

Die hier erstmals herausgegebenen Policy-Briefe waren schon bald ein fixer Bestandteil der öffentlichen Diskussion über die heimische Forschungsförderung: Schibany war dabei ein leidenschaftlicher Verfechter der Grundlagenforschung, er belegte, wieso sie für die Volkswirtschaft eines Landes besonders wichtig ist.  Und er brachte Bewegung ins Fördersystem: Kurz nachdem er aufzeigte, dass die Forschungsprämie auch Unternehmen lukrieren konnten, die keine Forschungen machten, hat der Staat eine Kontrolle bei der Vergabe dieser steuerlichen Erleichterung eingeführt. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG prüft nun, ob die Antragsteller auch wirklich F&E betreiben.

Als "sein Baby" bezeichnete er einmal den jährlichen Forschungs- und Technologiebericht der Bundesregierung, den er jahrelang federführend verfasste, den er aber bei seinem Wechsel zum IHS an Joanneum Research abtreten musste. Hier konnte jeder, der die österreichische Forschungsförderung kannte, herauslesen, was dieses System im abgelaufenen Jahr bot, aber auch,  was ihm fehlte.  Die Politiker schätzten das: Schibany machte die Übersetzungsarbeit zwischen Innovationsforschung und ihrer Bedeutung für den politischen Alltag.

Kampf gegen Krebs

Dass er vor mehreren Jahren an Knochenmarkkrebs erkrankte, hat er nie verheimlicht. Er wollte nämlich vor allem arbeiten und sein Gehirn für neue Analysen und Kommentare anstrengen. Das bedeutete auch, ein normales Leben zu führen und die Öffentlichkeit nicht zu scheuen. Zuletzt wagte er einen wirklich großen Schritt: eine Stammzellentransplantation mit fremden Stammzellen. Das bedeutete für ihn monatelanges Ausharren im Krankenhaus. Das Immunsystem musste wieder neu aufgebaut werden.

Seine Sorge galt dennoch vor allem seinem Sohn und wie der wohl die Krankheit des Vaters aufnehmen würde. Kontakt zu Freunden und Bekannten hatte er via SMS oder E-Mail: "Mir geht alles zu langsam, und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als wieder zu arbeiten", schrieb er da zum Beispiel. Oder er teilte seine Begeisterung über die Möglichkeiten der modernen Medizin mit, die ihm ein Leben trotz dieser schweren Erkrankung ermöglichte. Vielleicht wird diese Krankheit einmal einfach nur chronisch und nicht mehr so unmittelbar und tödlich sein, wie er hoffte: Schibany konnte davon keinen Nutzen mehr ziehen.

Die Transplantation war zwar gelungen, Schibany starb aber am Mittwoch an den Folgen einer Infektion. Am Donnerstag wurde sein Tod im Parlament bekannt, ausgerechnet bei einer Debatte über den jüngsten Forschungs- und Technologiebericht. (Peter Illetschko, derStandard.at, 26.6.2014)