Moskau / Wien / Abu Dhabi - Die Telekom-Abschreibung in Bulgarien ist noch lange nicht verdaut, da rückt schon die nächste ÖIAG-Beteiligung ins Rampenlicht. Am Donnerstag - die Staatsholding hielt da gerade die Aufsichtsratssitzung ab - verdichteten sich Gerüchte, wonach Gasprom beim österreichischen Energiekonzern einsteigen könnte. Härtestes Indiz dafür war ein Bericht von Reuters, in dem ein Insider in Abu Dhabi zitiert wurde, dass Verhandlungen über einen Einstieg laufen.
Gesprächspartner ist demnach die IPIC, der staatliche Investor aus Abu Dhabi. Das Vehikel hält 24,9 Prozent an der OMV, die ÖIAG ist mit 31,5 Prozent beteiligt. Gemeinsam sind die Partner über einen Syndikatsvertrag aneinandergebunden. Die IPIC müsste demnach den Anteil zuerst der österreichischen Staatsholding anbieten, bevor das Paket an einen anderen Interessenten veräußert wird. Allerdings wird davon ausgegangen, dass die ÖIAG nicht in der Lage wäre, den an der Börse mit 2,7 Milliarden Euro bewerteten Anteil zu übernehmen.
Am Abend reagierte der frisch gekürte ÖIAG-Aufsichtsratschef Siegfried Wolf im "ZiB 2"-Interview auf die Gerüchte: Von einem Einstieg Gasproms wisse er nichts. Wolf erinnerte gleichzeitig daran, dass die Republik ein Vorkaufsrecht habe, sollte die IPIC ihre Anteile verkaufen wollen. "Wir werden innerhalb der ÖIAG mit unserer Regierung überlegen: Können wir diese 24 Prozent kaufen?", so Wolf. Man könne gar nicht Nein sagen, wenn ein Investor die Aktien erwerben wolle.
Österreich müsse allenfalls noch schauen, dass der neue Partner in das strategische Bild passe. Zugleich wiederholte Wolf: "Wir wissen davon nichts", es gebe seit mehr als 20 Jahren eine gute Zusammenarbeit mit der IPIC.
Hinweise aus Russland
Aufgebracht hatte das Interesse der grüne Abgeordnete Peter Pilz im Kurier. Dem STANDARD sagte er, dass er seit Wochen recherchiere und entsprechende Hinweise aus Russland erhalten habe. Mit den Quellen von Reuters gebe es nun Sicherheit, dass seine Informationen richtig seien.
Pilz schießt nun scharf gegen die Regierung und die ÖIAG. Finanzminister und Eigentümervertreter Michael Spindelegger wirft er vor, die Interessen der Republik zu verraten. Dabei habe er mit dem ÖVP-Chef noch Einigkeit erreicht, dass mit einer Gesetzesnovelle die Abberufung von ÖIAG-Aufsichtsräten ermöglicht werden soll. Nun habe Spindelegger einen Rückzieher gemacht.
Die Grünen haben daher einen Initiativantrag eingebracht und hoffen, dass die anderen Parteien bei der Änderung des ÖIAG-Gesetzes mitgehen. Pilz hat es dabei vor allem auf Neo-Aufsichtsratschef Wolf ("Putins V-Mann") abgesehen, der beste Kontakte nach Russland hat und - sollten sich die Gerüchte bewahrheiten - den Syndikatsvertrag mit Gasprom mitgestalten könnte.
"OMV schützen"
Man müsse die OMV vor den Russen schützen, erklärte Pilz. Die politisch Verantwortlichen von Bundespräsident Heinz Fischer bis zur Regierungsspitze bezeichnet der Grüne als "Putin-Kriecher". Aktionärsvertreter Wilhelm Rasinger meint, dass die Gasprom sicher mehr Einfluss auf die OMV nehmen werde als derzeit die IPIC. "Die Russen können wegen der Gaslieferungen und South Stream an mehreren Schrauben drehen", so Rasinger.
Die IPIC ist 1994 bei der OMV eingestiegen, ursprünglich mit 19,6 Prozent. In einigen Schritten wurde dieser Anteil auf 24,9 Prozent erhöht. Die Allianz zwischen den Scheichs aus Abu Dhabi und der ÖIAG war über viele Jahre stabil und friktionsfrei, ein ums andere Mal wurde der Syndikatsvertrag als im Interesse beider Partner bezeichnet. Vor etwa drei Jahren kam Unruhe in die Beziehung.
Sperrminorität
Der Staatsfonds aus Abu Dhabi wollte mehr Mitsprache an der OMV und seine Beteiligung zumindest auf die Sperrminorität von 25 Prozent ausdehnen. Die OMV-Anteile wurden in den Bereich strategischer Beteiligungen umgebucht, deren Erfolg direkt in die Bilanz der IPIC einfließt.
Im Jahr 2011 wurde aber auch dem Wirtschaftsministerium in Wien aufgrund eines neuen Gesetzes ein Vetorecht eingeräumt, wenn Firmen außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) bei "wichtigen Infrastrukturunternehmen" Zukäufe über der Schwelle von 25 Prozent tätigen. Zunehmend Sand ins Getriebe der Beziehungen zwischen IPIC und OMV kam durch die Weigerung aus Wien, den Anteil am Kunststoffhersteller Borealis, der als Joint Venture gemeinsam von OMV und IPIC betrieben wurde und noch immer betrieben wird, zur Gänze an den Staatsfonds aus Abu Dhabi abzutreten. (as, stro, DER STANDARD, 27.6.2014)