Aus Besorgnis und Empörung hat der Historiker Harald Binder vom Institut für Stadtgeschichte in Lemberg ein Protestschreiben im Nachhall des Besuches des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Österreich initiiert. Unter anderen Klaus Nellen und andere Wissenschaftler vom Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) unterstützen den offenen Brief. Weitere Intellektuelle, Publizisten und Wissenschaftler der Universität Wien, die in Österreich leben, wollen ihn unterzeichnen. Der Text im Wortlaut:
"Wir österreichischen und in Österreich arbeitenden Wissenschaftler und Kulturschaffenden drücken hiermit unser tiefes Befremden und unsere Empörung aus über den Besuch des russischen Präsidenten in unserem Land. Die hiesige politische und wirtschaftliche Elite hat diesen 'Arbeitsbesuch' in einer Weise inszeniert, welche nicht nur den Versuch einer gemeinsamen außenpolitischen Linie der EU untergräbt, sondern all jenen Menschen in der Ukraine einen Schlag ins Gesicht versetzt, die unter der russischen Aggressionspolitik zu leiden haben.
Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit eines konstruktiven Dialogs wie auch der Wahrung von Wirtschaftsbeziehungen ist es schlicht unbegreiflich, dass der russische Präsident angesichts der von ihm wesentlich mitverantworteten politischen Krise und menschlichen Tragödie in der Ukraine in der Wirtschaftskammer in Anwesenheit des Bundespräsidenten mit einer Standing Ovation empfangen wird.
Gerade angesichts unserer eigenen historischen Erfahrung mit einem übermächtigen expansiven Nachbarn sind wir tief beschämt über dieses respektlose Verhalten. Wir fordern die Solidarität unseres Landes mit der Ukraine in ihrem Kampf um ihre staatliche Souveränität und eine von ihr selbst bestimmte Zukunft im Rahmen der westlichen Staatengemeinschaft.
Harald Binder
Institut für Stadtgeschichte
Lemberg/Ukraine." (Harald Binder, DER STANDARD, 27.6.2014)