Bild nicht mehr verfügbar.

Sowohl der serbische Staatspräsident Tomislav Nikolic (li.) als auch Premier Aleksandar Vucic sagten ihre Reise nach Sarajevo ab.

Foto: EPA/SRDJAN SUKI

Zu Wort meldete sich zuerst der serbische Staatspräsident Tomislav Nikolic, der sagte, er würde nicht gute Miene zum bösen Spiel der Veranstalter der Gedenkfeier machen. Er würde nirgendwo hingehen, wo man sein Volk "anklagen würde". Auch Vertreter der serbischen Entität in Bosnien, der Republika Srpska (RS), waren angekündigt - doch sie wollten nicht "in einem Gebäude stehen, in dem geschrieben steht, dass serbische Verbrecher an diesem Ort gemordet haben".

Der Präsident Serbiens meinte die Gedenktafel im renovierten Rathaus in Sarajevo. Deren tatsächliche Aufschrift lautet: "An dieser Stelle haben serbische Verbrecher in der Nacht vom 25. zum 26. 8. 1992 die National- und Universitätsbibliothek in Brand gesetzt. Das Feuer hat über zwei Millionen Bücher, Magazine und Dokumente verschlungen. Vergesst nicht, erinnert und mahnt!"

"Geburt eines neuen Europas"

Im Rathaus sollten die Wiener Philharmoniker am Samstag ein Gedenkkonzert zum Weltkrieg spielen und "die Geburt eines neuen Europas" feiern.

Kurz nach dem Präsidenten sagte auch Serbiens Premier Aleksandar Vucic seine Teilnahme ab, weil er nicht neben einer Tafel stehen könne, auf der "vom serbischen faschistischen Aggressor die Rede ist". Er müsse am größten serbischen Nationalfeiertag - der 28. Juni ist Sankt-Veits-Tag (Vidovdan) - bei seinem Volk sein.

Umstrittene Andenken

Der Vorsitzende des bosnischen Präsidiums, Bakir Izetbegovic, sagte, die Gedenktafel am Rathaus stehe für jene Zeit, "als der Genozid von Sarajevo begonnen hat". Während der Belagerung hätten bosnisch-serbische Truppen über 14.000 Bürger der Stadt getötet.

Das wollte Vucic nicht kommentieren. Als zweiten Grund für seine Absage nannte er aber noch "Kleinigkeiten" im Szenario der Feier. Wenn man schon gemeinsam gedenken wolle, wäre es nur fair gewesen, auch die Veranstaltung gemeinsam zu gestalten.

Vucic sagte noch, die Serben seien stolz auf ihre Geschichte. Doch nun sei es Zeit, dass Serbien, Deutschland und Österreich auf derselben Seite der Geschichte stünden. In Wien und Berlin sieht Vucic nämlich seine wichtigsten Verbündeten für einen raschen Beitritt Serbiens zur EU.

Eigener Gedenktag in Andricgrad

Vucic, Nikolic und der Präsident der RS Milorad Dodik wollten am Gedenktag in Andricgrad sein, einem bei Visegrad errichteten Ort, der dem serbischen Literaturnobelpreisträger Ivo Andric gewidmet ist. Den verwaltet der Filmregisseur Emir Kusturica, der auch das Konzept für die dort geplante Andacht verfasst hat. Erinnerungen an serbische Verbrechen im jugoslawischen Bürgerkrieg sollte es dort nicht geben.

Sowohl Nikolic als auch Vucic setzten sich während des Krieges für das großserbische Projekt ein und unterstützten aktiv die Politik und die Truppen von Radovan Karadzic und Ratko Mladic, denen wegen Kriegsverbrechen der Prozess vor dem UN-Tribunal in Den Haag gemacht wird. (Andrej Ivanji aus Belgrad, DER STANDARD, 28.6.2014)