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Symoblisch aufgeladen: Revolutionär Gavrilo Princip

Foto: AP

Es sei wie mit den Klecks-Faltbildern des Rohrschachtests - mit etwas Unergründlichem also, auf das wir unsere Fantasien und Interpretationen projizieren können - so versucht der Bosnien-Historiker Robert Donia sich der Figur Gavrilo Princip mit einer Geschichte seiner Ikonografie anzunähern. Die fünf wichtigsten Interpretationen sind nach Donia die des "Terroristen", wie ihn die Habsburger zeichneten (Franz Ferdinand und Sophie wurden im Gegenzug als quasireligiöse Märtyrer dargestellt); die des "jugoslawischen Nationalhelden", zu dem er im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen stilisiert wurde; dann gibt es noch die Figur des "verwahrlosten Kriminellen", des "revolutionären Jugendhelden" ; und schließlich die "celebrity" Gavrilo Princip, die ohne politische Aufladung als Tourismusobjekt vermarktet wird.

Der Politikwissenschafter Jasmin Mujanovic erklärt Princip als jemanden, an dem exemplarisch zu sehen sei, wie die politischen Eliten damals die soziale Frage zu einer nationalen machte. Princips Motiv sei vor allem die schlechte ökonomische Situation der bäuerlichen Bevölkerung gewesen. Seine Eltern seien völlig verarmt - das Attentat täte ihm deshalb nicht leid, sagte Princip 1916 im Gefängnis in Terezin.

"Frei von Österreich"

Princip sei aber in einer "ideologischen Konfusion", gewesen, die typisch für seine Zeit gewesen sei, so Mujanovic. Er habe keine klare Idee davon gehabt, welchen Staat er überhaupt wollte; Hauptsache, man sei "frei von Österreich".

Im ersten Jugoslawien wurde Princip als serbischer Nationalist und als jemand, der an Jugoslawien geglaubt hat, beschrieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde auf einer Gedenktafel der "Kampf gegen die deutsche Eroberung" betont. Princip wurde zum "Befreier" und zum jugendlichen Kämpfer "gegen die Deutschen", erklärt Donia. Nach dem Bruch mit Stalin 1953 gab es wieder eine neue Inschrift: Auf dieser wird kein Feind mehr genannt, sondern Princip als jemand beschrieben, der den "Volksprotest gegen die Tyrannei" in dem jahrhundertelangen Kampf für Freiheit repräsentiere.

"In den letzten beiden Dekaden des Sozialismus wurde Princip dann zur Ikone der Populärkultur", so Donia. Etwa mit dem Film Das Attentat von Sarajevo, das im Englischen unter dem Titel Der Tag, der die Welt schockierte 1977 in die Kinos kam, einer jugoslawisch-tschechisch-deutschen Koproduktion. "Man suchte ein ausländisches Publikum, es ging um Entertainment ohne politische Propaganda und politisches Urteil", präzisiert Donia.

Wachsfiguren von Franz Ferdinand und Sophie

Unpolitisch sind heute auch die Inschrift und das Attentatsmuseum selbst, wo bunte Wachsfiguren von Franz Ferdinand und Sophie zu sehen sind. In jugoslawischer Zeit gab es an der Stelle noch ein Museum über "Mlada Bosna", die Bewegung "Junges Bosnien". Aber schon damals wurde Princip als attraktiver, athletischer Mensch dargestellt. Der Mann, der im Gefängnis elend an Knochentuberkulose zugrunde ging, war allerdings schon zum Zeitpunkt des Attentats todkrank.

In der Republika Srspka (RS) wird Gavrilo Princip heute wieder politisch "aufgeladen". Der Gestalter der serbischen Gedenkveranstaltungen zum 100. Jahrestag, der Regisseur Emir Kusturica, ließ sich kürzlich dabei fotografieren, wie er eine neue Statue, die Gavrilo Princip darstellt, küsste. Auf einer symbolischen Ebene soll Princip als serbischer Held wiedererweckt werden. Heute geht es gegen den Neo-Kolonialismus - Bosnien-Herzegowina hat noch immer einen internationalen Verwalter. Am Freitag wurde übrigens in Ostsarajevo ein neues Princip-Denkmal eingeweiht. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, DER STANDARD, 28.6.2014)