Letzte Vorbereitungen vor dem Konzert, Dirigent Welser-Möst noch im T-Shirt.

Foto: Standard/Föderl-Schmid

Die Tafel, wegen der die Serben an der Gedenkfeier nicht teilnehmen.

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Die Pressekonferenz mit Heinz Fischer.

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Selbst für Joseph Haydns Kaiserhymne gab es heftigen Applaus: Das Konzert der Wiener Philharmoniker am Samstagabend war die offizielle Veranstaltung zum hundertsten Jahrestag der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau Sophie in Sarajevo. Die Ermordung war der Auslöser für den Ersten Weltkrieg. Die meisten Emotionen lösten jedoch in der Vijecnica, dem von Österreichern erbauten Alten Rathaus, Maurice Ravels Stück "La Valse" aus, eine an Dramatik kaum zu überbietende Musik, die an Gefechtslärm erinnert. Eingerahmt wurde das Konzert von der bosnischen Hymne und der Europahymne Ludwig van Beethovens, zu der alle aufstanden, aber die niemand mitsang.

Vor Beginn des Konzerts vor rund 300 Gästen sagte der im August als Philharmoniker-Vorstand scheidende Clemens Hellsberg sichtlich bewegt: „Es ist mehr als ein Konzert, das uns in diesem Gebäude zusammenführt, es ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Versöhnung." Hellsberg betonte, dass die Wiener Philharmoniker mit diesem Konzert an diesem Tag und an diesem Ort „der Idee eines gemeinsamen Europa unsere Reverenz erweisen" wollen.

Friedenspalmen

Ein wenig mitgeschunkelt wurde dann drinnen wie draußen, wo auf riesigen Leinwänden in der Stadt beim Public Viewing die Philharmoniker den Fußballspielern Brasiliens und Chiles Konkurrenz machten, als der Walzer "Friedenspalmen" von Josef Strauss erklang. Das war die von Dirigent Franz Welser-Möst mitgebrachte Zugabe, "etwas an echter Wiener Musik", wie er betonte, und 1866 komponiert, "als die Österreicher schon einmal kriegsmüde waren". 1866 war die Schlacht von Königgrätz.

Im Publikum saßen der langjährige Raiffeisen-Boss Christian Konrad und der im Konzern als Manager tätige ehemalige Finanzminister Josef Pröll mit Gattinnen. Ihre Anwesenheit habe nichts mit der - sehr auffälligen - Raiffeisen-Präsenz in Bosnien-Herzegowina zu tun, sondern sei auf das Engagement von Konrads Gattin beim Philharmonikerball zurückzuführen, versicherte Pröll.

Das Konzert fand in dem Prachtbau im pseudomaurischen Stil statt, den die Habsburger drei Jahre nach der Machtübernahme 1892 errichten ließen und der nun jahrelang renoviert wurde. Pünktlich zur Gedenkfeier wurde er fertig - man konnte die Farbe noch riechen, und angeblich gab es noch nicht einmal die Bauabnahme.

"Erinnert und mahnt"

Direkt beim Eingang hängt eine Tafel, deren Inschrift der Grund ist, warum die serbische Führung, aber auch das serbische Mitglied im Präsidium Bosnien-Herzegowinas, Nebojsa Radmanovic, der Gedenkfeier in Sarajevo fernblieben: "An dieser Stelle haben serbische Verbrecher in der Nacht vom 25. zum 26. August 1992 die National- und Universitätsbibliothek in Brand gesetzt. Mehr als zwei Millionen Bücher, Magazine und Dokumente verschwanden in den Flammen. Vergesst nicht, erinnert und mahnt!"

"Jahrhundert des Friedens"

Genau das tat dann der eigens nach Sarajevo angereiste Bundespräsident Heinz Fischer mit dem bosniakischen Mitglied im bosnischen Staatspräsidium, Bakir Izetbegovic, und dem Bürgermeister von Sarajevo, Ivo Komsic, in einer gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Konzert. Während die beiden heimischen Politiker betonten, dass Bosnien und Herzegowina nach den Kriegen nun ein "Jahrhundert des Friedens" schaffen will, nutzte Fischer die Gelegenheit für einen Aufruf an die zerstrittenen Volksgruppen. Sie sollten ihre religiösen, ethnischen und sonstigen Differenzen überwinden und für eine Annäherung an die EU zusammenarbeiten. Der 28. Juni 2014 sei "eine gute und wichtige Gelegenheit, an alle Bewohner von Bosnien und Herzegowina zu appellieren: Arbeitet zusammen, stellt, was euch trennt, zurück."

Fischer war nicht der einzige Österreicher, der an diesem Gedenktag nach Sarajevo gereist war. Nur wenige Schritte vom Alten Rathaus entfernt liegt der Ort des Anschlags. Pünktlich zu der Stunde, als der Anschlag vor hundert Jahren von Gavrilo Princip verübt worden war, posierte ein als Franz Ferdinand und Sophie verkleidetes Paar in einem ähnlichen Auto, in dem damals das Thronfolgerpaar gesessen war. Das Original steht bekanntlich im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien. Neben dem Paar nahm der Oberst des österreichischen Bundesheeres und Vertreter des Schwarzen Kreuzes, Erwin Fitz, in Uniform Aufstellung. Fitz ließ sich bereitwillig fotografieren und filmen und beantwortete Fragen. Der Konzeptkünstler Damir Niksic hatte eine Wasserpistole mit und zielte damit auf das Schauspielerpaar, was TV-Kameras eifrig filmten, aber nicht alle Zuschauer lustig fanden.

Kränze

Neben einem historischen Bild des Thronfolgerpaares wurden genau an der Stelle, wo Princip damals die Schüsse abgab, mehrere Kränze abgelegt. Auf einem stand auf den Schleifen: "In ewiger Erinnerung. Viribus Unitis. Katharsis Österreich." Einen weiteren legte der Niederösterreicher Manfred Ertl ab, der damit "ein Zeichen gegen den Krieg" setzen will, wie er sagte, und sich damit einen öffentlichkeitswirksamen Schub für seine Initiative Friedenspark Marchfeld erwartet.

Einige Meter weiter posierte ein junger Mann im Outfit eines Derwischs neben dem Bild des Thronfolgerpaares. Er sei auch Österreicher und heiße Herwisch, behauptete er. Sie seien zu dritt aus Österreich angereist, um an diesem Tag zu zeigen, dass früher nicht alles so schlecht gewesen sei und viel Toleranz geherrscht habe.

Österreichische Monarchisten

Pünktlich um 11.45 Uhr traten dann fünf schwarz-gelb gekleidete Monarchisten - darunter eine Frau - auf den Plan: Mit einem Kranz und einem Transparent, auf dem nicht nur an das Thronfolgerpaar erinnert wurde, sondern unter dem Doppeladler gleich auch die Internetadresse zu sehen war. An die Zuhörer wurden Postkarten verteilt, auf denen stand, dass sie die "einzige monarchistische Organisation" seien, "die politisch in Österreich und darüber hinaus aktiv ist". Obmann Alexander Simec rief in ein mitgebrachtes Megafon: "Nieder mit dem Nationalismus!"

Am frühen Morgen hatte es bereits auf dem Löwen-Friedhof in Sarajevo, wo mehr als 2400 Gefallene ihre Gräber haben, eine Gedenkveranstaltung gegeben: Von den 13 eingeladenen Repräsentanten der Nachfolgestaaten haben elf teilgenommen. Zumindest bei dieser Veranstaltung war auch ein serbischer Vertreter. (Alexandra Föderl-Schmid aus Sarajevo, derStandard.at, 28.6.2014)