
"The Land Between": Flüchtlinge blicken auf ein Stück Europa in Afrika. Die spanische Enklave Melilla grenzt an Marokko.
Ljubljana - Die grünstichigen Bilder der Nachtsichtkamera sind verwackelt, man erkennt lediglich zwei hohe Zäune, im Abstand von einigen Metern aufgestellt. Plötzlich tauchen schemenhaft Schatten auf: Dutzende Männer versuchen, den vorderen Zaun zu überwinden. Wie eine Welle schieben sie sich über ihn, bis er sich unter der Last der Menschen biegt. Die Kamera schwenkt, und mehrere Uniformierte laufen ins Bild. Sie zerren die Männer vom Zaun, schlagen mit Stangen auf die am Boden liegenden Menschen ein.
Diese Szene stammt aus der jüngsten Dokumentation des australischen Filmemachers David Fedele: The Land Between handelt von afrikanischen Flüchtlingen, die in Marokko versuchen, nach Europa zu kommen - über die spanische Enklave Melilla.
Dafür erhält Fedele in Ljubljana den Preis für den besten Film beim Festival of Migrant Film. Das Festival hat es sich zur Aufgabe gemacht, Themen wie Migration, Flucht und Asyl filmisch zu beleuchten.
Ein Stück EU in Marokko: Für tausende Flüchtlinge aus Subsahara-Gebieten ist es die einzige Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch vor diesem stehen zwei sechs Meter hohe Zäune, die mit Maschendraht, Bewegungsmeldern, Wachtürmen und Nachtsichtgeräten ausgestattet sind. Immer wieder kommt es zu Toten und Verletzten.
Bei eingangs erwähnter Szene handelt es sich um das erste Filmmaterial, das explizit das brutale Vorgehen der marokkanischen Behörden am Grenzzaun zeigt. Mindestens fünf Flüchtlinge wurden dabei von der Grenzpatrouille erschlagen.
"Außerdem sieht man deutlich die Reaktion der spanischen Guardia Civil: Sie schauen zu, ohne einzuschreiten", erklärt der Regisseur, als wir nach der Preisverleihung ins Gespräch kommen.
Überwachung "outgesourct"
Fedele war gemeinsam mit dem marokkanischen Filmemacher Reda Afirah zehn Wochen in den Bergen rund um Melilla unterwegs, um die Geschichten der Flüchtlinge aufzuzeichnen. "Zu Beginn war es sehr schwierig, im Zeltlager zu filmen. Viele Journalisten waren über die Jahre dort, aber die Situation hat sich für die Flüchtlinge nicht verbessert."
Zudem sei es nicht leicht gewesen, stets von Menschen umgeben zu sein, die schwere Verletzungen haben und dringend medizinischer Hilfe bedürften.
Die systematischen Misshandlungen seien Teil der EU-Flüchtlingspolitik, die der Film auch anprangert: Ähnlich wie an vielen Außengrenzen wurde auch hier die Überwachung "outgesourct". Das Geld fließt direkt von der EU an das marokkanische Innenministerium, dem die Sicherheitskräfte am Grenzzaun unterstellt sind.
Gegen Ende unseres Gesprächs fügt Fedele an: "Ich freue mich, wenn mein Film die Menschen wütend macht - ansonsten wird sich an der Situation in Melilla nichts ändern." (David Tiefenthaler (19), DER STANDARD, 30.6.2014)