Ein IT-Projekt der Notenbank warf haarige Fragen auf.

Foto: Mathias Cremer

Wien - Das gescheiterte IT-Projekt "Identity und Lifecycle Management (ILM)", mit dem die Nationalbank den internen Zugang zu Daten und Programmen auf neue Beine stellen wollte, hat mehr Probleme gemacht als bisher bekannt. Die OeNB brach das Projekt, wie berichtet, ab und klagte ihren deutschen Geschäftspartner D. auf Schadenersatz. Nun arbeitet Raiffeisen IT am Folgeauftrag.

Die Innenrevision der OeNB hat das Projekt ILM ab März 2013 unter die Lupe genommen - und in der Luft zerrissen. Zu Ende geführt wurde die Prüfung aber nicht: wegen Streits über die Auskunftserteilung brach die Revision ihre Arbeit ab. Sie ersuchte OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny um Beauftragung eines "Fraud-Audits" (einer Deliktsrevision), wie es im Bericht vom 24. Juni 2013 heißt. Denn: "Das Auftreten von Fraud (schuldhaftes Verhalten; Anm.) kann im Zusammenhang mit dem Projekt nicht länger ausgeschlossen werden."

Nach der "Sonderrevision", die das Direktorium dieser Erstprüfung folgen ließ, sah es anders aus. Laut OeNB-Sprecher Christian Gutlederer ergab die Expertise des neuen Prüfteams, dass "das Projekt nicht optimal gelaufen ist". Aber: "Es wurde kein schuldhaftes Verhalten gefunden."

"Zur Farce geraten"

Die ersten Prüfer hatten zuvor von "nicht nachvollziehbaren Kalkulationen" zur Wirtschaftlichkeit des Projekts geschrieben. Sie konstatierten zudem "von den Zuständigen über Jahre hinweg unerkannte (...) Fehlberechnungen".

Dafür dürfte zunächst alles recht rasch gegangen sein. Denn: Die "Entscheidungen des Topmanagements" seien "insofern zur Farce geraten, als mit allen wesentlichen Umsetzungsmaßnahmen" schon davor begonnen wurde. Sprich: Die Ausschreibung sei gestartet worden, bevor das Direktorium den Beschluss zur Durchführung des Projekts gefasst hatte.

Im Projektauftrag seien Sachaufwand und Investitionen auf 950.000 Euro "geschätzt" worden, laut Ausschreibungsergebnis hätte man "mit lediglich rund 600.000 Euro das Auslangen finden müssen". Die Differenz von 350.000 Euro sei aber nicht eingespart worden, sondern "zu großen Teilen für nicht im Projektauftrag erwähnte Beauftragung des Ziviltechnikerbüros" Z. verwendet worden.

"Große Ungereimtheiten"

Bei der Vergabe an Z. sei es zu "großen Ungereimtheiten" mit dem Bundesvergabegesetz gekommen. Laut Abbruch-Prüfbericht der Innenrevision hat Z. "bereits vor einer offiziellen Beauftragung durch die OeNB und vor Vorliegen von Vergleichsangeboten" Leistungen erbracht. Die Rechnungen hätten das vereinbarte Auftragsvolumen zwar überstiegen, seien aber "anstandslos" bezahlt worden. Die Bestellungen seien nachträglich aufgestockt, Belege zum Teil rückdatiert worden. Der Verdacht, das Vergaberecht sei durch Splitting (der Aufträge; Anm.) "unzulässig" umgangen worden, "drängt sich geradezu auf". Die Argumentation der Involvierten, wonach die Direktvergabe an Z. wegen dessen "ausgezeichneten (...) Vorkenntnissen" nötig war, ließ die Revision nicht gelten.

Dass die OeNB damals, im Juni 2013, nach Abbruch des seit Jahren laufenden Projekts ihr Geld zwar vom deutschen Geschäftspartner D. einklagte (derzeit laufen Vergleichsgespräche), eine Rückforderung von Ziviltechniker Z. aber "nicht diskutierte", quittierte die Innenrevision mit "Erstaunen". Die Sonderrevision ergab anderes: Z. habe als "externer Projektbegleiter" fungiert und "seine Leistung erbracht", so OeNB-Sprecher Gutlederer heute.

Auch die Feststellung im Revisionsbericht von Juni, wonach an das "Topmanagement schlichtweg falsche Kennzahlen" berichtet wurden und selbiges daher "im Blindflug" unterwegs gewesen sei, ist Schnee von gestern. Gutlederer auch dazu: "Es konnte kein schuldhaftes Verhalten der Involvierten gefunden werden." (Renate Graber, DER STANDARD, 1.7.2014)