Der Grat, auf dem Mahmud Abbas wandelt, wird immer schmäler: Seit er in einer Rede vor den Außenministern der Konferenz der Islamischen Staaten (POC) Mitte Juni die Wichtigkeit der Sicherheitszusammenarbeit mit Israel bei der Suche nach den Entführern der drei Religionsschüler in Hebron betonte, sind die sozialen Medien voll von verächtlichen Kommentaren über den Palästinenserpräsidenten. Er wird beschuldigt, am harten israelischen Vorgehen mitschuldig zu sein. Die Hamas wird zur Gewinnerin der Situation, umso mehr nach den Strafaktionen.
Die meisten Palästinenser halten die Hamas und ihre Führung auch nicht für die Auftraggeber der Entführung, denn sie passe nicht zur Hamas-Versöhnung mit der Fatah. Vor allem die Ermordung der Jugendlichen: Die "Hoffnung" war ja, dass sie zum Zweck der Freipressung von Palästinensern verschleppt wurden.
Abbas wird auch vorgeworfen, dass er sich für Palästinenser nicht im gleichen Ausmaß einsetze, etwa die Gefangenen in israelischer "Administrativhaft" (das heißt ohne richterlichen Beschluss), die bis vor wenigen Tagen im Hungerstreik waren. Aufgebracht wird auch immer wieder der Fall zweier palästinensischer Jugendlicher (16 und 17), die Mitte Mai bei einer Demonstration von der israelischen Armee erschossen wurden, obwohl sie nicht an Gewaltakten beteiligt waren. Die Israelis bezeichnen ein Video, das das belegen soll, jedoch als manipulativ.
Mittelfristige Folgen
In seiner Rede nannte Abbas die Entführung eine Tat von Leuten, "die uns zerstören wollen". Die Folgen sind noch gar nicht abzusehen. Der Versuch Abbas', eine durch den Umsturz vor einem Jahr in Ägypten geschwächte Hamas in die Mitte zu ziehen, ist vom Scheitern bedroht - und damit vielleicht auch die längst überfälligen, für 2015 auf allen Ebenen geplanten Wahlen. Eine schwache Palästinenserbehörde, eine harte israelische Hand und eine aufgebrachte Öffentlichkeit sind eine gefährliche Kombination, manche Beobachter sehen schon eine dritte Intifada am Horizont.
Und die Aussichten auf neue Friedensgespräche schwinden weiter. Die USA werden in dieser Situation nicht versuchen, Israel von Gesprächen mit der Palästinenserführung, die sich nicht von der Hamas distanziert, zu überzeugen. Aber das könnte Abbas jetzt nur mehr, wenn eindeutige Beweise dafür vorliegen, dass die Hamas für die Tat verantwortlich war. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 2.7.2014)